Reisewarnung für Türkei: Hurra, die Deutschen kommen

Deutschland hebt seine Reisewarnungen für Teile der Türkei auf – und die Tourismusbranche freut sich. Doch die Corona-Infektionen steigen wieder.

Ein Mann mit einem Besen geht an einem leeren Strand in Antalya entlang

Noch ist der Strand in Antalya leer, das könnte sich nach Aufhebung der Reisewarnung bald ändern Foto: Marius Becker/dpa

ISTANBUL taz | Der größten türkischen Tageszeitung Hürriyet ist es einen Aufmacher wert: „Deutschland öffnet seine Tore“. Am Dienstagnachmittag gab das deutsche Außenministerium bekannt, dass die Reisewarnung für die Provinzen Izmir, Aydın, Muğla und Antalya mit sofortiger Wirkung aufgehoben wird.

In diesen vier Provinzen liegen die wichtigsten Urlaubszentren der Türkei am Mittelmeer und an der Ägäis, von Çeşme bei Izmir über Bodrum und Marmaris in der Provinz Muğla bis zur türkischen Riviera von Antalya bis Alanya. Als Grund für die Aufhebung gibt die Bundesregierung an, dass die Infektionszahlen in diesen Provinzen bislang sehr niedrig sind.

Die türkischen Hoteliers und Touristikunternehmen sind hocherfreut, darunter auch der Tourismusminister Mehmet Nuri Ersoy, dessen Familie selbst im Tourismus tätig ist. Die Entscheidung der Bundesregierung ist wohl das Ergebnis massiver türkischer Lobbyarbeit.

Ersoy und der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu waren Anfang Juli nach Berlin gereist, um dort Auflagen und Hygienekonzepte für Hotels und andere touristische Einrichtungen vorzustellen. Sie versprachen, dass jeder Deutsche dort sicher Urlaub machen könne. Aber auch deutsche Tourismuskonzerne wie TUI haben Druck gemacht, denn die Türkei ist der drittgrößte Reisemarkt für deutsche Urlauber. Nicht zuletzt dürfte auch die große Zahl von Deutschtürken, die verunsichert waren, ob sie ihre Familien in der Türkei besuchen können, eine Rolle gespielt haben.

Rückflug nur mit negativem Testergebnis

Die türkischen Behörden haben nun zugesagt, dass jeder deutsche Urlauber vor seinem Rückflug einen Coronatest in der Türkei machen muss und nur mit einem negativen Testergebnis in den Flieger steigen darf. Wer positiv getestet wird, muss für zwei Wochen in der Türkei in Quarantäne bleiben. Wie das bei Reisenden durchgeführt werden kann, die mit dem Auto in die Türkei gekommen sind, ist unklar.

Ob die Aufhebung der Reisewarnung nun tatsächlich noch zu einem großen Ansturm auf die türkischen Strände führen wird, ist allerdings zweifelhaft. In Spanien, Italien und Griechenland zeigt sich, dass die Deutschen mit Auslandsreisen sehr zurückhaltend sind. Die Wiederaufnahme von Charterflügen aus Großbritannien und Russland in die Türkei vor einigen Tagen hat ebenfalls gezeigt, dass die Anzahl der Touristen aus diesen Ländern sehr begrenzt bleibt.

Dennoch waren in den letzten Tagen viele Strände der Türkei brechend voll – mit einheimischen Urlaubern. Das Opferfest, Kurban-Bayram, das mit Weihnachten vergleichbare wichtigste religiöse Fest im Islam, fiel in diesem Jahr auf Ende Juli und Anfang August. Die damit verbundenen Ferien führten zu einem regelrechten Ansturm aus Istanbul, Ankara und anderen Großstädten auf die Urlaubsregionen an der Ägäis und am Mittelmeer.

Viele Medien berichteten von überfüllten Strände, an denen die Leute alle Abstandsregeln außer Acht ließen und keinen Mundschutz trugen. Sämtliche Experten, einschließlich Gesundheitsminister Fahrettin Koca, waren alarmiert und warnten vor neuerlichen Ansteckungen.

Intensivstationen sind wieder voll

Tatsächlich gehen die Zahlen der täglichen Neuinfektionen mit dem Coronavirus wieder dramatisch in die Höhe: Erstmals seit Mai sind sie offiziell wieder über die Marke von 1.000 gestiegen. Doch das ist laut vielen Experten völlig untertrieben. Die Tageszeitung Cumhuriyet berichtet am Mittwoch, dass es laut der zuständigen Ärztekammer allein in der Hauptstadt Ankara mehr als 1.000 Neuinfektionen an einem Tag gegeben hat.

Die Zeitung zitiert den Oberbürgermeister von Ankara, Mansur Yavaş, mit den Worten: „Wir sind wieder da angekommen, wo wir Anfang März waren.“ Auch in Istanbul berichten Ärzte und anderes medizinisches Personal, dass die Intensivstationen der Krankenhäuser wieder voll seien.

Für die jetzt von der Bundesregierung von der Reisewarnung befreiten Urlaubsregionen gibt es zwar noch keine neue Zahlen, doch die Konsequenzen der Bayram-Ferien werden sich erst in einigen Tagen zeigen. Möglicherweise kommt die Aufhebung der Reisewarnung gerade im falschen Moment.

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