Helfer am Telefon

EHRENAMT Die Diakonie in Hamburg bildet Laien zu Telefonseelsorgern aus. Weil so viele Menschen anrufen, werden weitere Freiwillige gesucht. Die Qualifikation dauert ein Jahr

Laien-Seelsorger sollen selbst fest im Leben stehen. Sie bleiben am Telefon anonym und geben den Anrufern nichts von ihrem Privatleben preis

VON MORITZ KOHL

Helle, braune Möbel, bunte Vorhänge, Bilder an den Wänden. Eine Dusche, eine kleine Küche. Die Räume der Telefonseelsorge der Diakonie laden beinahe zum Wohnen ein. „Es ist ein bisschen ein Zuhause“, meint Babette Glöckner, die Leiterin des Telefondienstes. Die Pastorin schreitet energiegeladen durch den Flur, während sie vom Projekt erzählt. „In allen anderen Einrichtungen in Hamburg fällt um 18 Uhr der Stift, das Band verweist auf uns. Wir sind 24 Stunden am Tag da, sieben Tage die Woche.“

Um diesen Dienst zu stemmen, braucht es ehrenamtliche Mitarbeiter wie Petra Schilling*. Die ältere Dame mit den wachen blauen Augen und dem norddeutschen Zungenschlag absolviert hier zwei Mal im Monat ihre vierstündigen Seelsorge-Schichten, und zusätzlich eine achtstündige Nachtschicht im Quartal. Zudem ist sie Mentorin für Ehrenamt-Anwärter.

Der Seelsorgedienst verschaffe ihr eine gute Reflexion auf das eigene Leben. „Wie gut, dass ich an diesem Ende der Leitung sitze und nicht auf der anderen“, sagt Schilling. Im Prinzip kann jeder 25- bis 60-Jährige eine einjährige Ausbildung absolvieren und darf dann ans Telefon – vorausgesetzt, sie erfüllen die Bedingungen, die die Diakonie festgelegt hat: Laien-Seelsorger sollen selbst fest im Leben stehen.

„Während der sogenannten Hospitationsphase müssen Auszubildende zehn Schichten à vier Stunden mit erfahrenen Mentoren bestehen“, erklärt Pastorin Glöckner. Zuvor würden Sie sich vor allem mit Themen wie Suizid, Einsamkeit und psychischen Erkrankungen beschäftigen – und natürlich Gesprächsführung üben.

„Das ist etwas, was man lernen kann“, erinnert sich Schilling. „Man entwickelt ein Gespür dafür, wie man mit den Leuten ins Gespräch kommt.“ Das geschieht vor allem in der Supervision, also der Fallbesprechung. Die Seelsorger sind dabei in Gruppen von zehn bis zwölf Leuten eingeteilt. Sie treffen sich alle 14 Tage mit einem Psychologen oder Theologen mit pastoral-psychologischer Ausbildung. „Man hat dort auch die Möglichkeit, über konkrete Fälle zu sprechen und sich Entlastung zu holen“, sagt Schilling. „Es gibt wenige Gespräche, die man mit nach Hause nimmt.“

Das ist wichtig, denn die Ehrenamtlichen werden oft mit schwierigen Schicksalen konfrontiert. „Ich hätte mir nie vorstellen können, dass so viele Menschen unter Einsamkeit und schiefen Lebenswegen leiden“, sagt Schilling. Der Gesprächsbedarf sei so groß wie nie. „Die psychische Belastbarkeit der Menschen reduziert sich immer weiter, gleichzeitig nehmen Phänomene wie Einsamkeit, Vereinzelung und Arbeitslosigkeit zu“, sagt Pastorin Glöckner.

So vielseitig wie die Probleme der Anrufer gestalten sich auch die Telefonate. „Das Wichtigste ist, rauszufinden, warum jemand anruft“, erklärt Schilling. „Das können die Anrufer nicht immer sofort klar formulieren.“ Sie höre oft zunächst Dinge, die die am Telefon gezeigte Aufregung nicht rechtfertigten. „Da steckt immer noch etwas dahinter.“ Manchmal begännen Leute auch ganz direkt das Gespräch mit „Ich kann nicht mehr.“ Wieder andere riefen an, um zu erzählen, dass es ihnen besser ginge. „Die brauchen einfach das offene Ohr.“

Bei den Telefonaten bleiben beide Seiten anonym. „Es ist nicht unsere Aufgabe, eine therapeutische Begleitung zu machen“, sagt Schilling. „Ich möchte es nicht erleben, dass jemand bei mir vor der Tür steht oder mich zu Hause anruft.“ Deswegen geben die Seelsorger am Telefon nichts aus ihrem eigenen Leben Preis und halten geheim, wo die Anrufe angenommen werden.

Doch auch wenn die Seelsorger ständig den Hörer abnehmen, kommt nicht immer jeder durch. Glöckner sucht weitere Helfer, sagt aber, sie könne deren Zahl nicht beliebig erhöhen, da ihre eigene Arbeitszeit begrenzt ist. Den Telefonseelsorgebedarf könne die evangelische Kirche nicht allein decken, auch die Stadt oder die katholische Kirche seien gefragt. „Wir brauchen mehr Leute mit im Boot.“

*Name geändert

☎ 040–306 20–358, Telefonseelsorge@diakonie-hamburg.de