GroKo einigt sich auf Wahlrechtsreform: Der XXL-Bundestag rückt näher

Union und SPD haben sich auf eine Wahlrechtsreform geeinigt, die aber erst ab der übernächsten Wahl wirklich greifen soll. Die Opposition ist empört.

Der Bundestag im Reichstagsgebäude.

Der zukünftige XXL-Bundestag: Leider passt er nicht mehr ganz aufs Bild Foto: Michael Zwahlen/imago

BERLIN taz | Das deutsche Wahlrecht ist eine vertrackte Angelegenheit. Aber auch wieder nicht so vertrackt, dass nicht zu verstehen wäre, was der Koalitionsausschuss der interessierten Öffentlichkeit nun als Wahlrechtsreform vorgelegt hat. Nämlich so gut wie nichts.

Nach sieben Jahren Debatte darüber, wie der Deutsche Bundestag seine eigene personelle und verwalterische Überdehnung verhindern kann, legten die Parteivorsitzenden nach ihrem Koalitionsgipfel in der Nacht zum Mittwoch einen windelweichen Kompromiss vor. Um das Hohe Haus spürbar zu verschlanken, müsste die Zahl der Überhang- und Ausgleichsmandate deutlich gesenkt werden.

Doch für die Bundestagswahl 2021 sollen laut CDU, CSU und SPD alle 299 Wahlkreise erhalten bleiben. Erst danach sollen sie bei der planmäßigen Wahl im Jahr 2025 auf 280 reduziert werden. Schon 2021 sollen aber nicht mehr alle Überhangmandate ausgeglichen werden; die Großkoalitionäre nennen dies „Dämpfungsmaßnahme“. Details soll nun eine Reformkommission klären.

Zur Erinnerung: Die Sollgröße des Parlaments liegt bei 598 Sitzen. Nach der Bundestagswahl 2017 war diese Zahl sprunghaft auf 709 angestiegen; für 2021 wird mit einer weiteren Vergrößerung auf mehr als 800 gerechnet. JedeR Abgeordnete mehr bedeutet zugleich noch mehr MitarbeiterInnen, zusätzliche Logistik und Verwaltung des Bundestags.

Britta Haßelmann, Fraktions­geschäftsführerin der Grünen

„So was Mickriges habe ich nicht kommen sehen“

Die parlamentarischen GeschäftsführerInnen der demokratischen Opposition machten am Mittwochmorgen keinen Hehl aus ihrer Entrüstung. Grüne, FDP und Linkspartei hatten im Herbst 2019 einen gemeinsamen Gesetzentwurf vorgelegt. Darin schlugen sie vor, einerseits den Bundestag auf eine Sollgröße von 630 Abgeordneten zu erhöhen und andererseits die Wahlkreise von 299 auf 250 zu reduzieren.

An diesem Mittwochmorgen nennt Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann den Groko-Kompromiss kraftlos und unambitioniert. „So was Mickriges hab ich nicht kommen sehen.“ Indem Union und SPD jetzt so täten, als hätten sie ein Ergebnis erzielt, verkauften sie die Öffentlichkeit für blöd.

Auch Marco Buschmann von den Liberalen ist empört. Er sieht für 2021 einen „XXL-Bundestag“ kommen. Die CSU habe sich als „erster Sieger“ damit durchgesetzt, dass sich bei den Wahlkreisen nichts ändere. Die CDU bekomme als „zweiter Sieger“ einen Bonus von drei unausgeglichenen Überhangmandaten. „Und der Rest dient nur der Vernebelung.“ Verliererin sei die SPD – und der Hauptverlierer sei das Ansehen der Politik, kritisiert Buschmann.

Jan Korte, sein Pendant aus der Linksfraktion, sieht gar ein System dahinter. „Bei der ­Wahlrechtsreform läuft es so, wie es meistens läuft in der ­Großen Koalition: im Endeffekt wirkungslos, bei Vorteilen für die CDU/CSU oder ihre Klientel.“ Korte hält es für „demokratisch fragwürdig“, dass der Wegfall von Ausgleichsmandaten dazu führen könne, dass eine Fraktion mehr Sitze bekommt, als ihr nach ihrem Zweit­stimmenanteil zustehen würden.

Die Groko bemühte sich am Mittwoch, die geballte Empörung abzuschwächen. Annegret Kramp-Karrenbauer sagte im ZDF, die Chance, dass der nächste Bundestag jedenfalls nicht größer werde, sei „relativ groß“. CSU-Chef Markus Söder sprach von einer seriösen Debatte im Ausschuss. Jede Seite habe sich bewegt und etwas abgegeben. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans erklärte gar, der Kompromiss stelle sicher, dass bereits nach 2021 „der Bundestag kleiner wird als bisher“. Diese Sicht hat er allerdings ziemlich exklusiv.

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