Warnung vor „trügerischer Sicherheit“

Medizinischer Dienst der Krankenkassen sieht Corona-Antikörpertests skeptisch

Von Heike Haarhoff

Der Medizinische Dienst des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen (MDS) hat Patientinnen und Patienten in Deutschland vor einer „trügerischen Sicherheit“ durch Corona-Antikörpertests gewarnt. Die Tests, die vielerorts in Arztpraxen als sogenannte individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) angeboten werden, also für Selbstzahler, hätten keine 100-prozentige Aussagekraft, sagte die Bereichsleiterin „Evidenzbasierte Medizin“ beim MDS, Michaela Eikermann, am Dienstag in Berlin. Es sei gefährlich, wenn Menschen aufgrund einer vermeintlich festgestellten Immunität auf Abstands- und Hygieneregeln verzichteten.

Die Tests sollen Klarheit darüber verschaffen, ob jemand bereits im Blut Antikörper gegen das Virus gebildet und folglich eine Infektion bereits durchgemacht hat. Viele der derzeit angebotenen Schnelltests hätten jedoch eine Fehlerquote, sodass auch falsch negative oder falsch positive Ergebnisse ausgegeben würden. Hiervor hatte zuletzt auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gewarnt. Außerdem, so der MDK, sei noch ungewiss, ob eine Immunität gegen Sars-Cov-2 tatsächlich dauerhaft anhalte. Die Tests werden von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht bezahlt; sie kosten laut MDS zwischen 17,50 und 52 Euro.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Maria Klein-Schmeink, kritisierte, mit dem Testangebot werde die Angst vieler Menschen vor einer Infektion „ausgenutzt“. Mit der anschließenden Interpretation der Ergebnisse würden sie „alleingelassen“.

Der MDS hatte im Juli rund 6.800 gesetzlich Versicherte zu ihren Erfahrungen mit den Covid-19-Antikörpertests befragt. Sechs Prozent der Befragten hatten bereits einen solchen Antikörpertest angeboten bekommen oder selbst danach gefragt. Die Initiative ging jeweils zur Hälfte vom Patienten oder vom Arzt aus, so der MDS. Am häufigsten hätten Patientinnen und Patienten danach gefragt, wenn sie Wochen oder Monate vor dem Test Symptome gehabt hatten. Andererseits berichteten 54 Prozent der Befragten, dass sie den Antikörpertest angeboten bekamen, obwohl sie keinerlei Symptome hatten.

Die Versicherten wurden auch zu ihrer Motivation befragt, den Test durchführen zu lassen. Demnach stand der Wunsch, abklären zu lassen, ob man die Erkrankung bereits hatte und eine Immunität vorliegt, im Vordergrund. Andere verbanden damit die Hoffnung auf mehr Bewegungsfreiheit.

Die MDS-Expertin Eikermann kritisierte, viele Menschen würden von ihren Ärzten und Ärztinnen nicht ausreichend aufgeklärt. So sei etwa ein Drittel der vom MDS zu den Antikörpertests Befragten nicht über die Unsicherheit des Tests informiert worden. Ein Viertel sei nicht darüber aufgeklärt worden, dass eine Immunität gegen das Virus noch nicht erwiesen ist. Knapp die Hälfte der Befragten habe, so Eikermann weiter, nicht gewusst, dass falsch positive Ergebnisse häufig möglich sind. „Die Menschen denken dann, Covid-19 kann ihnen nichts mehr anhaben, und nehmen deshalb die Abstands- und Hygieneregeln möglicherweise nicht mehr ernst. Dadurch können sie sich und andere gefährden.“