Mietendeckel und Energiedämmung: Klimaschutz im Schneckentempo

Bei der energetischen Sanierung der Häuser hat Berlin Nachholbedarf. Entschiedenere Dämmungen müssen nicht am Mietendeckel scheitern.

Dämmung eines Dachs mit heller Holzwolle

Hier wird gerade ein Dach mit Holzwolle gedämmt. Passiert leider noch viel zu selten in Berlin Foto: dpa

BERLIN taz | Es ist zum Verzweifeln: Seit Jahren scheitert der Klimaschutz an energetischen Sanierungen von Häusern. Auch in Berlin, wo immerhin knapp die Hälfte aller Emissionen auf Gebäude zurückzuführen ist, geht es nur im Schneckentempo voran. Jetzt bremse auch noch der Mietendeckel den Klimaschutz im Gebäudebereich vollends aus – hieß es häufig aus Politik, Presse und Lobbyverbänden in der Diskussion über den radikalen Mieterschutz. Doch egal, ob das als trauriger Kollateralschaden bewertet oder kalkulierter Schachzug gegen den Mietendeckel ins Feld geführt wird: Es ist falsch. Den Mietendeckel als Sündenbock dafür heranzuziehen, dass für Dämmungen und neue Fenster kein Geld da sei, greift zu kurz.

Fest steht: Es wird viel zu wenig energetisch saniert. Wenn die Klimaschutzziele Berlins erreicht werden sollen, müssen die Emissionen im Gebäudebereich extrem sinken. Wie Berlin die öffentlichen Gebäude gedenkt zu sanieren, mussten die Bezirke und die landeseigene Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) bis Ende 2019 mit Sanierungsfahrplänen offenlegen. Das taten jedoch nur die BIM und zwei von zwölf Bezirken, ergeben nun die Antworten des Senats auf die Anfragen des Linken-Abgeordneten Michael Efler Ende Juli zum Stand der energetischen Sanierungen.

„Das ist ein Gesetzesverstoß, den ich nicht lustig, sondern zum Verzweifeln finde“, sagt Efler. „Ich verstehe nicht, warum das alles so lange dauert.“ Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, die den Prozess koordiniert, begründet die Verzögerung gegenüber der taz mit einer hohen Arbeitsdichte in den bezirklichen Bauabteilungen. Linken-Abgeordneter Efler aber sagt, die öffentliche Hand könne ihre Forderungen an private Immobilienbesitzer*innen nicht glaubhaft vertreten, wenn sie selbst so wenig mache.

Jedes Jahr werden lediglich 0,8 Prozent der Gebäude in Berlin auf einen niedrigeren Energieverbrauch getrimmt, schätzt die Senatsverwaltung, eine konkrete Datenbasis gebe es aber nicht. Eine Sanierungsrate von 2 Prozent will man erreichen. „Wie viel genau in Berlin energetisch saniert wird, ist schwer zu schätzen“, sagt auch Julika Weiß vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), das sich mit dem Wärmemarkt in Berlin beschäftigt und die Machbarkeitsstudie „Klimaneutrales Berlin 2050“ federführend für den Senat erarbeitete. Weil der Energieverbrauch der Gebäude Berlins jedoch kaum sinke, kann gesagt werden, dass zu wenig und nach zu niedrigen Standards saniert wird. „Das ist absolut nicht befriedigend und unzureichend angesichts der Klimakrise“, sagt Linken-Abgeordneter Efler.

Ein Euro reicht eigentlich schon

Der Mietendeckel regelt nun, dass die Mieten maximal 1 Euro pro Quadratmeter und Monat steigen dürfen, wenn energetisch saniert wird. Im Schnitt koste das aber nicht 1, sondern 2,89 Euro, kalkulierte die Nymoen-Strategieberatung für den Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e. V. (BBU) Anfang Juni. Für eine Stadt, in der 83 Prozent der Wohnungen Mietwohnungen sind, ist das eine teure Differenz.

„Mit einem Euro kann man schon viel machen, das ergeben unsere Studien“, sagt hingegen Weiß vom IÖW. Die Kosten seien zwar schwer schätzbar, weil die Häuser und Wohnblöcke der Stadt unterschiedlich sind, doch seien für unter einen Euro niedrigere Sanierungsstandards, wie gemäß Energieeinsparverordnung (EnEV) möglich; anspruchsvollere Sanierungen gehen laut IÖW bei 1,14 Euro los. „Wie der BBU auf 2,89 Euro kommt, ist völlig unklar“, sagt auch Grünen-Abgeordneter Stefan Taschner.

Egal wie hoch die Kosten für energetische Sanierungen im Einzelfall genau liegen, eine Lösung könnte sein, dass sich Mieter*innen, Vermieter*innen und Staat diese teilen. Das fordert der Berliner Mieterverein mit dem Drittelmodell schon seit über zehn Jahren. Vermieter*innen müssten dafür die staatlichen Förderungen aber auch abrufen, sagt Reiner Wild vom Mieterverein. „Was leider oft nicht passiert“, so Taschner, weshalb er sich für eine Sanierungspflicht und höhere Förderungen ausspricht.

Mietendeckel verhindert nicht den Klimaschutz

Für Eigentümer*innen sind energetische Sanierungen derzeit zu uninteressant, sagt Wild, „deshalb wird es ohne Pflicht nicht gehen“. So müssten Höchstwerte für den Energieverbrauch und CO2-Emissionen festgelegt werden, die stufenweise alle fünf Jahre reduziert werden. Die jeweils schlechtesten Gebäude müssen energetisch saniert werden.

48 Millionen Euro sieht der Senat als Förderprogramm für energetische Sanierungen vor, das Ende 2020 starten soll. Aufgrund von Corona sei es zu Verzögerungen gekommen, so die Antwort des Senats auf die Anfrage von Efler. „Viel zu niedrig“, sagt hingegen Efler. „Es braucht deutlich höhere Fördermittel“.

„Dass der Mietendeckel den Klimaschutz im Gebäudebereich verhindert, ist ein vorgeschobener Grund“, sagt Grünen-Abgeordner Taschner, so werde versucht, den Mietendeckel zu diskreditieren. „Dass so wenig saniert wird, ist eine Katastrophe für den Klimaschutz.“

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