„Wir wollten einen Ruf zerstören“

„Canal Terror“ war eine legendäre Punkband der 1980er Jahre. In einem ihrer größten Hits, „Bonn-Duell“, singen sie von der „Betonstadt Bonn“. Dominik Schetting alias Junk Punk spielte in der Band damals Gitarre

Dominik Schetting, Jahrgang 1965, war 15 Jahre alt, als er mit drei Freunden die Punkband „Canal Terror“ gründete. Heute arbeitet er als Sozialpädagoge mit Kindern und Jugendlichen auf einem Abenteuerspielplatz. Er lebt nach wie vor in Bonn.

Interview Nina Böckmann

taz am wochenende: Herr Schetting, „Canal Terror“ kamen aus Bonn, der damaligen BRD-Hauptstadt. Was machte Bonn zu einer Betonstadt?

Dominik Schetting: Wir fanden Bonn scheiße, weil hier Gesetze gemacht wurden, die wir ablehnten. Aber vor allem weil auf den Straßen überall Polizei war. Ständig wurde man kontrolliert und schikaniert. Es herrschte Endzeitstimmung unter den Punks, Stichwort Kalter Krieg. Man fühlte sich hilflos.

Echten Beton gab es aber auch?

Im Gegensatz zu anderen Städten war und ist Bonn eigentlich gar nicht so schlimm. Uns ging es darum, den Ruf der tollen Hauptstadt zu zerstören. Das ist uns auch gut gelungen. Die Canal Terror-LP „Zu Spät“ von 1982 hat sich so weit verbreitet, dass noch heute alle Punks von außerhalb denken, Bonn sei eine hässliche, abgefuckte Betonstadt. Natürlich haben wir diese Betonsiedlungen und Bausünden wie das Bonner Stadthaus gehasst, andererseits haben wir uns aber auch gerade an solchen Orten getroffen. An U-Bahn-Stationen, an zubetonierten Plätzen. Die Punks verband eine Hassliebe zum Beton. Auf der einen Seite war er hässlich und lebensfeindlich, andererseits bot sich viel Fläche, um sich auszukotzen. Sowohl mit kritischen Parolen als auch ganz wörtlich genommen.

In Ihrem Hit „Bonn-Duell“, der 1983 erschien, heißt es: „Schöne Menschen im Kaffeehaus reden elitären Mist. An der Ecke liegt ein Penner, neben sich ’ne Bombe Wein.“ War Beton für euch vor allem mit sozialem Abstieg verbunden?

Heute kann man das Leben in den Betongettos, also den Hochhaussiedlungen, als sozialen Abstieg sehen. Anfang der 1980er Jahre war das in Bonn nicht so. Die Wohnungen dort galten als modern, wurden häufig von Beamten gekauft. Zentralheizung statt Kohleofen, Müllschlucker, Tiefgaragen und tolle Parkanlagen drum herum, wenn auch mit „Betreten des Rasens verboten“-Schildern. Heute sind diese Siedlungen meist absolut runtergekommen und das Wohnen dort alles andere als erstrebenswert.

Verstärkt das Endzeitstimmungen?

In meinem Job in der Kinder- und Jugendhilfe arbeite ich mit Betongeschädigten. Es sind Kinder und Jugendliche aus einer Hochhaussiedlung zwischen Köln und Bonn, die immer mehr Zeit drinnen verbringen, weil es draußen keine freien Räume mehr gibt. Als 1981 „Bonn-Duell“ entstand, war ich 15. Ich glaubte damals daran, dass es keine Zukunft für die Menschheit gab. Heute ist es die Friday-for-Future-Bewegung, die ja zu Recht ähnlich schwarzsieht. Aber immerhin haben sie die Hoffnung, die Welt noch retten zu können.