„Am Wochenende ein Turnier in Hongkong“

Women*Team (XI): Sportlerinnen bekommen weniger Aufmerksamkeit und Geld für ihre Leistungen als Männer. Hier kommen sie zu Wort. Die Bremer Latein-Tänzerin Malika Dzumaev kritisiert, dass Tanzen oft nicht als Leistungssport gesehen wird. Das erschwere die Sponsorensuche, denn das Tanzen ist eine teure Leidenschaft

Foto: Thorben Heks

Malika Dzumaev,29, tanzt seit 2013 Latein im Grün-Gold-Club Bremen. 2018 gewannen sie und ihr Partner Zsolt Cseke Sandor die North-ern European Championships.

Interview Teresa Wolny

taz: Frau Dzumaev, können Sie Musik hören, ohne zu tanzen?

Malika Dzumaev: Nein, ich möchte mich eigentlich immer sofort bewegen. Als Tänzerin versuche ich direkt, den Takt und die Klangfarbe rauszuhören. Musik, die ich in der Freizeit höre, kann auch Inspiration für neue Ideen sein.

Wie viele Stunden tanzen Sie denn so am Tag?

Normalerweise trainieren wir jeden Tag fünf bis sechs Stunden. Dazu müssen wir körperlich sehr fit sein und machen zusätzlich Kraft- und Ausdauertraining. Tanzen ist eine Mischung aus Sport und Kunst, das kann man nicht trennen und das ist auch das Schöne daran. Wir müssen ähnlich fit sein wie Leichtathleten und gleichzeitig die Musik sehr genau hören.

Sie tanzen „Latein“, das ist ein Sammelbegriff für Samba, Cha-Cha-Cha, Rumba, Paso Doble und Jive. Haben Sie da einen Favoriten?

Vom Stil her mögen wir die schnelleren Tänze, also Samba, Cha-Cha-Cha und Jive. Das wechselt aber. Ich habe keinen Lieblingstanz.

Kann man im Paartanz von klassischen Rollenbildern sprechen?

Die Bewegungsabläufe auf der Fläche müssen jeweils als die der Frau und die des Mannes erkennbar sein. Meine persönliche Ansicht ist, dass der Mann die Frau gewissermaßen gut aussehen lassen muss. Der Mann führt und die Frau folgt, das heißt aber nicht, dass sie sich unterordnet. Besonders in den höheren Bereichen kann sich diese Verteilung auch ändern.

Was halten Sie von TV-Formaten wie „Let' s Dance?“

Wie bei jedem Sport ist auch beim Tanzen der Nachwuchs wichtig. Da können Formate wie Let's Dance helfen, indem sie das Tanzen präsenter machen. Früher gab es mehr Fernsehübertragungen vom Tanzsport. Das ist leider weniger geworden, weil Tanzen oft nicht als Leistungssport gesehen wird.

Geht Paartanz trotz Social Distancing?

Als Kontaktsportart durften wir erst später wieder mit dem Training anfangen als andere Sportarten. Da wir im deutschen Nationalkader sind, dürfen wir jetzt aber wieder mehr trainieren. Mein Tanzpartner ist auch mein Freund und wir leben im gleichen Haushalt. Das ist also praktisch.

Ist das auch beim Tanzen von Vorteil?

Das kann man so und so sehen. Beim Tanzsport sind besonders im älteren Bereich viele Tanzpartner auch Lebenspartner. Man verbringt extrem viel Zeit mit dieser Person. Da ist es wichtig, dass man gut miteinander harmonisiert.

Was haben Sie in der tanz-freien Zeit gemacht?

Meine Bachelorarbeit geschrieben. Neben dem Tanzen zu studieren ist zeitlich oft sehr schwierig zu managen. Deswegen konnte ich die Coronazeit gut nutzen. Für viele Tänzer war es aber auch eine Zeit zum Umdenken. Wenn man nicht zwei bis drei Wettkämpfe pro Monat hat wie mein Partner und ich normalerweise, kann man die Zeit nutzen, um Videos anzuschauen und Fehler zu analysieren. Wie für alle Künstler war diese Zeit finanziell aber schwierig.

Man wird vom Tanzen nicht reich.

Im Tanzen gibt es leider nicht so viele Sponsoren wie im Fußball. Die Turniere und die Fahrten dorthin müssen wir oft selbst finanzieren, was sehr teuer ist. Viele Turniere in der S-Klasse, also der Sonderklasse, finden nicht in Deutschland statt. Wie beim Tennis gibt es auch beim Tanzen Grand-Slam-Turniere, die in den letzten Jahren oft in Asien waren. Dabei bekommen wir Unterstützung, etwa von deutschen Tanzsportverband für die Reisekosten. Wir brauchen aber auch Tanzschuhe – pro Halbjahr pro Person zwischen vier und sechs Paar. Bei den Kleidern, die maßgeschneidert sind, geht es bei 1.000 Euro los. Wir haben zum Glück ein paar Sponsoren gefunden. Das ist aber nicht selbstverständlich.

Wie geht es für Sie nach dem Bachelor im Fach Public Health weiter?

Ich werde mit meinem Partner noch ein paar Jahre weitertanzen. Um den Sport zu finanzieren, muss ich aber nach dem Studium trotzdem langsam in einen Beruf einsteigen – auch wenn es schwierig ist, das zu vereinbaren. Fünf Stunden Training am Tag sind kräftezehrend und es ist sicher nicht leicht, dem Arbeitgeber zu sagen, dass man früher los muss, weil man am Wochenende ein Turnier in Hongkong hat.