Russland-Bericht setzt Johnson unter Druck

Großbritanniens Regierung weist Vorwürfe zurück, will aber einige der Empfehlungen umsetzen

Boris Johnson konterte gegen Keir Starmer mit dem Verweis auf Jeremy Corbyn

Aus London Daniel Zylbersztajn

Einen Tag nach der Veröffentlichung eines aufsehenerregenden Berichts des britischen parlamentarischen Geheimdienstausschusses zur versuchten russischen Einmischung in die britische Politik war es keine Überraschung, dass der Bericht nun die britische Politik dominiert. Auf nicht weniger als zwanzig Seiten beantwortete die Regierung von Premierminister Boris Johnson in einer ersten Reaktion die verschiedenen aufgeführten Mängel.

Man habe alles richtig gemacht, alles laufe, wie es sein müsse, und verschiedene Empfehlungen seien bereits in der Umsetzung, so die Regierung. Als Beispiel wurden die neuen Magnitski-Gesetze genannt, die Sanktionen gegen Personen und Organisationen ermöglichen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben. Seit 2017 arbeite Großbritannien an einer 30-jährigen Langzeitstrategie, die von der derzeitigen Konfrontationspolitik zu einem Russland hinsteuere, das mit der internationalen Gemeinschaft an einem Strang zieht. Großbritannien sei immer eine leitende internationale Stimme, um russisches Fehlverhalten zu verurteilen, etwa nach dem Giftangriff in Salisbury 2018 oder zuletzt bei russischen Spionageversuchen zu Covid-19-Impfstoffen.

Marina Litwinenko, die Witwe des 2006 in London durch eine Tasse mit Polonium vergiftetem Tee ermordeten ehemaligen russischen Spions Alexander Litwinenko, begrüßte den Bericht, warnte jedoch, es gebe nach dem Tod ihres Mannes und dem Anschlag auf das Leben Sergei Skripals in Salisbury keinen Raum für Naivität und Ausreden.

Jenseits des Umgangs mit Russland hat der Bericht die Frage einer möglichen russischen Beeinflussung des Brexit-Referendums 2016 angeschnitten. Bemängelt wird, dass die Nachrichtendienste dieser Frage nicht nachgegangen seien. Dazu erklärte die Regierung, es gäbe keine Gründe für eine rückwirkende Untersuchung, wie sie der Bericht fordert, denn „es hat gar keine erfolgreiche Störung beim EU-Referendum 2016 gegeben“.

Als Labours Schatteninnenminister Nick Thomas-Symonds am Mittwoch im Unterhaus eine Dringlichkeitsfrage zu diesem Thema stellte, weil die Regierung nicht von sich aus dazu Stellung nehmen wollte, bekräftigte James Brokenshire, Staatssekretär für Sicherheitsfragen im Innenministerium, diese Linie. Er gab obendrauf an, dass Forderungen nach einer Untersuchung eher etwas mit jenen zu tun hätten, die das Brexit-Referendum nicht akzeptierten und die Stimme des Volkes untergraben wollten.

Stewart Malcolm McDonald von der Schottischen Nationalpartei (SNP) überraschte dann mit der Forderung nach einer Untersuchung sowohl des Brexit-Referendums 2016 als auch des Schottland-Referendums 2014. Erstaunlich war das, weil beim Schottland-Referendum Russland zugunsten der SNP, die Schottlands Unabhängigkeit anstrebt, aktiv geworden sein soll.

Bei der Fragestunde zwischen Oppositionsführer Keir Starmer und Premierminister Boris Johnson am Mittwoch konterte Johnson Starmers robuste Frage nach Gründen für die Verzögerung von Maßnahmen gegen Russland „nach zehn Jahren konservativ geführter Politik“ und nach mehr Informationen zu den jetzigen Maßnahmen mit hohler Polemik. Statt einer direkten Antwort verwies er auf die russlandfreundliche Haltung von Starmers Vorgänger Jeremy Corbyn. Starmer antwortete, er benötige von Johnson keine Lektionen zu Russland, da er als Generalstaatsanwalt die Mord­ermittlungen zu Alexander Litwinenko geleitet hatte. „Vielleicht hat der Premierminister es noch nicht gemerkt, aber Labour steht unter neuem Management.“

Immerhin kündigte die Regierung einige vom Geheimdienstausschuss geforderte Gesetzesänderungen an. Dazu gehört eine Meldepflicht für „ausländische Agenten“ sowie das Vorhaben, Gesetze zum Schutz von Wahlen auf den Stand der Cyberwelt zu bringen. Labour versprach, dies zu unterstützen.