Kampf um Bundestagsdirektkandidatur in Berlin: Chebli gegen Müller

Die Staatssekretärin Sawsan Chebli will Berlins Regierenden Bürgermeister aus dem Rennen kicken. Der muss um seinen politischen Altersruhesitz im Bundestag bangen.

Sawsan Chebli steht lächelnd im Bundestag und fummelt an ihrer Handtasche.

Traut sich was: SPD-Politikerin Sawsan Chebli Foto: Metodi Popow/imago

Damit hatte Michael Müller bestimmt nicht gerechnet: Seine politische Ziehtochter will Berlins Regierenden Bürgermeister aus dem Rennen kicken. Am Donnerstagabend gab Sawsan Chebli bekannt, dass sie für die SPD als Bundestagsdirektkandidatin in Charlottenburg-Wilmersdorf antreten will – also ausgerechnet in jenem Wahlkreis, um den sich auch Müller bewirbt. Der hatte die Berlinerin palästinensischer Herkunft 2016 als Staatssekretärin für bürgerschaftliches Engagement in die Senatskanzlei geholt.

Dass Sawsan Chebli tatsächlich im Herbst vom Kreisverband nominiert wird, ist eher unwahrscheinlich. Bislang hat die 42-Jährige, die als engagierte Kämpferin gegen Rassismus bekannt wurde, nur die Unterstützung ihres SPD-Ortsvereins am Kurfürstendamm, wo sie mit 9 Stimmen nominiert wurde.

Cheblis Kandidatur ist eine Kampfansage an die Hinterzimmerpolitik

Dennoch ist ihre Kandidatur eine Kampfansage an den 55-jährigen Müller und die Hinterzimmerpolitik, die diesem einen gesichtswahrenden Abgang in den Bundestag sichern sollte.

Zur Erinnerung: Im Januar hatte die Berliner SPD eine Rochade im Landesvorstand angekündigt. Auf Müller als Landeschef sollte eine Doppelspitze aus der bisherigen Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und dem Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Raed Saleh, folgen. Giffey gilt seitdem auch als designierte SPD-Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl im Herbst nächsten Jahres. Im Gegenzug sicherten Giffey und Saleh Müller zu, den Weg in den Bundestag frei zu machen. Das gefiel schon damals nicht jedem in der Partei.

SPD kann nicht mit mehr als vier Berliner Mandaten rechnen

Seit der vergangenen Woche kam es nun Schlag auf Schlag für Müller. Erst erklärte der bisherige Juso-Chef Kevin Kühnert, in Müllers politischer Heimat, dem Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg, für den Bundestag kandidieren zu wollen. Am Montag dann gab Müller klein bei und erklärte seine Kandidatur in Charlottenburg-Wilmersdorf. Und nun die Gegenkandidatur von Chebli.

Sollte sie sich wider Erwarten gegen Müller durchsetzen, wäre die SPD wohl gezwungen, schon jetzt Müller in einem Akt der Schadensbegrenzung gegen Giffey auszutauschen. Doch das ginge nur, wenn die beiden Koalitionspartner von der Linkspartei und den Grünen mitspielen. Das aber gilt als eher unwahrscheinlich.

Aber auch für den Fall, dass sich Müller gegen Chebli durchsetzt, ist längst nicht klar, ob er es in den Bundestag schafft. Bei den derzeitigen Prognosen kann die SPD nicht damit rechnen, mehr als vier Berliner Mandate zu holen.

Da sowohl Tempelhof-Schöneberg als auch Charlottenburg-Wilmersdorf keine SPD-Hochburgen sind, bleibt Müller wohl nur der Weg über die Landesliste. Da Kühnert auf Platz eins gesetzt ist, muss Müller nach dem Frauenplatz zwei wohl mit Position drei vorliebnehmen. Gut möglich, dass die politische Karriere des gelernten Druckers vorzeitig zu Ende geht – mit kräftiger Beihilfe der eigenen Genossinnen und Genossen.

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