Digitalisierung der Bauernhöfe: Mit dem Laptop auf den Acker

In der Landwirtschaft schreitet die Digitalisierung und Vernetzung voran. Farming 4.0 soll die Umwelt schonen. Sorge bereitet noch der Datenschutz.

In einem mit Bildschirmen ausgerüsteten Führerhaus eines Mähdreschers sitzt eine Frau

Viel Überprüfung beim Ernteeinsatz möglich: GPS-Technik im Mähdrescher Foto: Thomas Trutschel/imago-images

Der EU-Kommission ist es offenbar ein großes Anliegen: Wir sollten unsere Ernährungsweise und auch die landwirtschaftliche Produktion so anpassen, dass wir nicht immer weiter die Umwelt zerstören und die Ressourcen ausbeuten. Das ist die Botschaft der kürzlich vorgestellten „Farm to Fork“-Strategie der Kommission. Das heißt, dass der Verbraucher weniger Fleisch essen sollte aber auch, dass in der Landwirtschaft umgedacht werden muss. Denn derzeit werden zu viele Pflanzenschutz- und Düngemittel ausgebracht, der Ausstoß klimaschädlicher Gase ist hoch. Auch der Einsatz von Antibiotika in der Tiermast gilt als unverhältnismäßig, um das Tierwohl ist es nicht gut bestellt.

Die Politik verspricht sich hier vor allem durch digitale Lösungen Abhilfe. Erst im Juli hat sich Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner auf einer Deutschlandreise über die Entwicklungen in Sachen „Smart Farming“ informiert. Schließlich will ihr Ministerium in den kommenden Jahren rund 100 Millionen Euro in Fördermaßnahmen und Programme investieren. 50 Millionen Euro sind beispielsweise in 14 Experimentierfelder geflossen, die Fragen rund um die Messung von Bodenbeschaffenheit und Tierwohl, Vernetzungen, Datenerhebung aber auch Datenschutz untersucht.

Auch die EU-Kommission fördert massiv entsprechende Forschungsprojekte. Schließlich ließen sich laut einem wissenschaftlichen Gutachten des Europaparlaments vom Dezember 2016 mit Bits & Bytes auf den europäischen Äckern 10 Prozent Dieselkraftstoffe bei der Feldarbeit einsparen, die Bodenerosion könnte von derzeit 17 Tonnen pro Hektar auf eine Tonne schrumpfen, Herbizide könnten um bis zu 80 Prozent, Nitratrückstände durch Überdüngung im Boden um 30 bis 50 Prozent reduziert werden.

Das geht etwa mithilfe von sensorgestützten Systemen, die je nach Bodenbeschaffenheit die passgenaue Menge an Stickstoffdünger berechnen. Denn ein Acker ist nicht homogen. Es gibt Stellen, die sind fruchtbarer, andere weniger. Wenn man hier überall die gleiche Menge an Dünger ausbringt, werden einige Stellen überdüngt – Nitrat wird in Boden und Grundwasser ausgewaschen, Ammoniak entweicht in die Umgebung. An anderen Stellen kann es hingegen zu wenig Dünger sein, wodurch der Ertrag leidet.

„Ein passender Dünge-Algorithmus sorgt dafür, dass Landwirte keine Ertragseinbußen haben und die Gesellschaft von der guten Wasserqualität profitiert“, sagt Kurt-Jürgen Hülsenbergen, Wissenschaftler am Lehrstuhl für Ökologischen Landbau und Pflanzenbausysteme der TU München. Er hat ein System entwickelt, bei dem ein Sensor am Traktor das Licht misst, das von den Ackerpflanzen reflektiert wird. Anhand der Reflexion kann der Ernährungsstatus der Pflanzen berechnet werden. Die Düsen stellen sich dann automatisch so ein, dass die richtige Menge Dünger auf die Pflanzen gelangt. Andere Traktoren sind mit GPS-Antennen ausgestattet und nutzen Satellitendaten für das genaue Düngen, einen reduzierten Pestizideinsatz oder effizienteres Säen.

Roboter und Drohnen

Neben Landmaschinen wie Traktor, Schlepper und Mähdrescher werden auch Feldroboter und Drohnen entwickelt. Spezielle Drohnen können mittels Hyperspektralkameras den Stand des Pflanzenwachstums, Pilzbefall oder Überschwemmungen überwachen.

Kleine, wendige Feldroboter, die über GPS navigieren und sich mit Sensoren Umwelt­in­forma-tionen beschaffen,können eine Enzelpflanzenbetreuung realisieren

Am Julius-Kühn-Institut in Braunschweig wird erforscht, wie man tonnenschwere Landmaschinen durch kleine, autonome Roboter ersetzen kann. Denn: Nur dieser kann ein Feld bewirtschaften, auf dem verschiedene Pflanzen in amorphen „Spots“ anstatt in Reihen als Monokultur wachsen. Beim „Spot-Farming“ werden Rübe, Mais oder Getreide gezielt dort angepflanzt, wo sie die besten Bedingungen zum Gedeihen vorfinden. Kleine, wendige Feldroboter, die über GPS navigieren und sich mit Sensoren Umweltinformationen beschaffen, können eine Einzelpflanzenbetreuung realisieren, wie man es aus dem Gewächshaus kennt.

Das „Internet der Dinge“ eröffnet auch im Tierstall Chancen. In der Schweine- und Geflügelproduktion sorgen etwa Klimaanlagen für ein besseres Wohlbefinden der Tiere indem sie automatisch lüften oder heizen. Mit Sensoren ausgestattete Halsbänder können Kühe erkennen, die auffällig viel liegen oder wenig trinken und fressen. Hier wird der Bauer über das Smartphone alarmiert.

Computer- und Sensortechnik ist bereits seit 1980 auf Bauernhöfen zu finden. Allerdings hat sich die Etablierung in den letzten Jahren rapide weiterentwickelt, digitale Technologien werden heute von vielen Landwirten genutzt. In Deutschland sind es laut einer Umfrage des Digitalverbandes Bitkom vom vergangenen April 8 von 10 landwirtschaftliche Betriebe. Bei rund jedem zweiten Hof sind GPS-gesteuerte Landmaschinen im Einsatz und auch in jedem zweiten Tierstall findet man intelligente Fütterungssysteme. Dabei sehen fast drei Viertel der Betriebe in der Digitalisierung grundsätzlich eine Chance, etwa weil Kosten gesenkt werden.

17 Prozent betrachten die Digitalisierung jedoch als Risiko. Und damit sind sie nicht allein. Auch Branchenbeobachtern bereitet die weitreichende Vernetzung Kopfzerbrechen, da große Agrarfirmen wie Bayer oder Deere aber auch Amazon und Google derzeit immense Mengen an Daten aus der Cloud sammeln. „Das kann dazu führen, dass einzelne Konzerne aufgrund ihrer datenbasierten Marktmacht einseitig beispielsweise die Konditionen von Lieferverträgen bestimmen und den Landwirten eine selbstbestimmte Entscheidung abnehmen“, sagt Paul Vogel von der Universität Würzburg.

Forscher betonen daher, dass man den Ausbau der Digitalisierung auf wissenschaftlicher Basis fördern und einen monopolisierten Zugriff auf die Daten verhindern muss. Hierbei sollten alle Akteure bestimmen, wie die Informationen aus der landwirtschaftlichen Cloud genutzt werden dürfen. Forscher im Fraunhofer-Leitprojekt „Cognitive Agriculture“ (kurz: COGNAC) sind etwa dabei zu untersuchen, wie man eine zentrale, herstellerunabhängige Plattform organisieren kann. Vogel sieht eine solche „Agrar-Masterplattform“ als Schritt in die richtige Richtung. „Sie wäre ein vielversprechender Ausgangspunkt für die Stärkung der Datenhoheit der Landwirte“, so der Würzburger Wissenschaftler.

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