Kein Geschäft mit Urlaub, Sonne und Strand

In Spanien steigen die Coronazahlen weiter. Der Tourismus kommt zum Stillstand

Über der Stadt Barcelona: Touristen und Locals genießen zusammen. Damit ist erst einmal wieder Schluss Foto: Nacho Doce/reuters

Aus Madrid Reiner Wandler

Das Geschäft mit Sonne und Strand kommt zum Erliegen. Seit dem Wochenende treffen keine Pauschaltouristen aus Deutschland mehr in Spanien ein, mit Ausnahme der Kanarischen Inseln. Dies ist das Ergebnis einer Reisewarnung der Bundesregierung. „Vor nicht notwendigen, touristischen Reisen nach Spanien mit Ausnahme der Kanarischen Inseln wird derzeit aufgrund hoher Infektionszahlen gewarnt“, steht seit Freitagnachmittag auf der Webseite des Auswärtigen Amts zu lesen. Zuerst nahm Tui die spanischen Reiseziele aus dem Programm, dann folgten auch die anderen Reiseveranstalter.

Damit bricht die spanische Tourismusindustrie, die in normalen Zeiten 12 Prozent des BIP ausmacht und rund 2,5 Millionen Menschen beschäftigt, vollends zusammen. Deutschland ist neben Großbritannien der wichtigste Markt für das Geschäft mit Sonne und Strand. Die Briten bleiben bereits seit Ende Juli weg. Denn seither ist nach einer Spanienreise eine zweiwöchige Quarantäne Pflicht. Die Niederlande haben am Sonntag ebenfalls eine Reisewarnung für weite Teile Spaniens erlassen.

Einige Reiseveranstalter bieten ihren Kunden die Möglichkeit, auf die Kanaren umzubuchen. Und wer bereits in Spanien ist, kann früher zurück. Die spanischen Medien berichteten von deutschen Touristen auf Mallorca, die überstürzt abreisen. Laut Deutschem Reiseverband sollen sich derzeit alleine auf den Balearen noch 30.000 deutsche Urlauber aufhalten. Ende des Monats werden fast alle Hotels schließen. Bis wann, weiß niemand.

„Es wird eine sehr untypische Saison, die sich öffnet und schließt, je nachdem, wie die Hauptmärkte in Bezug auf uns funktionieren“, versucht der Tourismusminister der Balearenregierung, Iago Negueruela, der Branche in einem Interview Mut zu machen.

Das wichtigste Kriterium für die Einstufung einer Region oder eines ganzen Landes zum Risikogebiet ist die Zahl der Neuinfizierungen in den vergangenen sieben Tagen pro 100.000 Einwohner. Alles über 50 definiert das deutsche Robert Koch-Institut als Risikogebiet. Das Auswärtige Amt schließt sich dem an. Für ganz Spanien gibt das Gesundheitsministerium in Madrid diesen Wert am Freitag mit 58 an, auf den Balearen mit 77 – auf den Kanaren hingegen nur 24.

Noch sind 30.000 Deutsche auf den Balearen

Seit der Öffnung Spaniens nach einem der härtesten Lockdowns Ende Juni steigen die Neuinfektionen ständig. Mittlerweile sind es pro Tag wieder 3.000 neue Covidfälle. In der vergangenen Woche verstarben 62 Erkrankte. Damit sind bisher 28.617 Tote zu beklagen. Insgesamt wurden bisher 342.000 Covidfälle bestätigt.

Jetzt greifen die Madrider Zentralregierung und die Regionen zu neuen Maßnahmen. So wurde etwa Clubs und Diskotheken wieder geschlossen, die allgemeine Sperrstunde vorverlegt. Zusammentreffen von mehr als zehn Personen sind untersagt. Im Baskenland wird die Autonomieregierung am Montag den „sanitären Notzustand“ ausrufen. Damit können die Behörden einzelne Stadtteile und Gemeinden wieder unter Lockdown stellen.

Das größte Problem Spaniens ist das Gesundheitssystem. Es fehlt vielerorts an Personal, um die Kontakte der Erkrankten nachzuverfolgen und ebenfalls auf Covid zu untersuchen. So etwa in der Region rund um Madrid. Die Infizierungsrate dürfte dort um ein weites höher sein als die offiziell angegebenen 97 pro 100.000 Einwohner. Madrid bräuchte – so die Experten – mindestens 1.000 zusätzliche Kontaktverfolger.

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