Pannen bei Corona-Tests in Bayern: Söders Bild ist angekratzt

900 Corona-Infizierte in Bayern wurden über ihr Testergebnis tagelang nicht informiert. Ministerpräsident Markus Söder entschuldigt sich.

Zwei Menschen in weißer Ganzkörper-Schutzkleidung und Masken stehen neben einem Auto und halten ein Stäbchen

Zehntausende Tests auf der Autobahn: Die Masse konnte nicht schnell genug abgearbeitet werden Foto: Sven Hoppe/dpa

Einen Tag nach Bekanntwerden des Coronatest-Debakels in Bayern ging es am Donnerstag um rasche Aufarbeitung und Krisenbewältigung. Schon am Vorabend hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) getwittert: „Das ist sehr, sehr ärgerlich. Das muss sofort behoben werden und darf nicht mehr passieren.“ Er selbst habe deswegen seinen geplan­ten zweitägigen Besuch an der Nordsee abgesagt. Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) leistete im Fernsehen öffentlich Abbitte: „Wir bedauern das sehr, es wird jetzt die ganze Nacht durchgearbeitet.“

Am Vormittag gab es in der Münchner Staatskanzlei eine Krisensitzung, schlussendlich traten am Nachmittag Söder und Huml gemeinsam vor die Presse. „Es ist wirklich hoch ärgerlich. Wir können uns dafür nur entschuldigen“, sagte Söder. Huml habe ihm zwei Mal den Rücktritt angeboten. Aber: „Ich habe weiter Vertrauen zu ihr.“ Sie bleibt. Es gehöre zur Führung dazu, so Söder, sich in schwierigen Zeiten unterzuhaken. Es sei eine „große Panne“ passiert, meint er weiter. Doch: „Das Tempo ist hoch, es wird von Corona bestimmt.“

Das Geschehen ist nicht nur äußerst blamabel für Söder, sondern auch schädlich im Kampf gegen die Ausbreitung der Pandemie: Bis Mittwoch waren 44.000 der bis dahin 60.000 an den Autobahnen und Bahnhöfen getesteten Urlaubsrückkehrer nicht über ihr Ergebnis informiert worden. Darunter befanden sich 900 Corona-Infizierte, die das Virus in der Zwischenzeit an viele andere übertragen haben könnten.

Huml verwies auf die Masse der Testergebnisse, die nicht schnell genug abgearbeitet werden konnte. Die Tests waren von Hilfsorganisationen unter Leitung des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) durchgeführt worden. Da noch keine passende Computersoftware zur Verfügung stand, mussten sämtliche Kontaktdaten der Getesteten von Hand verarbeitet werden. Zuständig für die Tests ist das bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit LGL.

Corona-Bekämpfung als Profilierung für Söder

Dieses hatte die Testaufträge an private Laborunternehmen vergeben. Die Hilfsorganisationen waren übergangsweise eingesprungen. Das BRK schreibt in einer Stellungnahme, das LGL habe in so kurzer Zeit keine entsprechende Software zur Verfügung stellen können. Ein BRK-Sprecher weist Vorwürfe zurück, „Schuld an dieser Problematik zu haben“, und bedauert, dass der „schweißtreibende Einsatz der Ehrenamtlichen in ein negatives Licht gerückt wird“.

In der bayerischen Öffentlichkeit stößt es auf Befremden, dass nicht Markus Söder selbst über die Panne informiert hat, sondern dass er seine Ministerin sowie den LGL-Leiter Andreas Zapf vorgeschickt hat. Die SPD-Landtagsfraktion fordert nun eine Sondersitzung des Gesundheitsausschusses. Deren Gesundheitssprecherin Ruth Waldmann reicht es nicht, „wenn Herr Söder sich großspurig als Retter der Republik in Szene setzt“. SPD und FDP verlangen Humls Rücktritt.

Tatsächlich tritt Söder immer dann gerne selbst auf, wenn er sich als Deutschlands oberster Corona-Bekämpfer profilieren kann. Kürzlich kündigte an: Alle Urlaubsrückkehrer könnten getestet werden, nicht nur bayerische Bürger. Dies sei ein „Service für ganz Deutschland“, so Söder recht großspurig.

Bei diesen Erfolgsverkündungen steht die Ministerin Huml wie eine Neben­figur am Rand und wiederholt meist am Ende noch einmal das, was Söder ­bereits gesagt hat. Dass sie weiterhin Ministerin ist, dürfte nicht in erster Linie an Söders Vertrauen liegen. Sondern daran, dass der bundesweit erste coronabedingte ­Mi­nisterInnen-Rücktritt auch seine Politik in ein schlechtes Licht rücken würde.

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