Proteste in Thailand: Jugend gegen Establishment

In Thailand demonstrieren Studierende. Mittlerweile fordern sie eine Reform der Monarchie – trotz harter Strafen für Majestätsbeleidigung.

Junge Demonstrierende halten drei Finger hoch und tragen Plakate

Protest auf dem Campus der Thammasat-Universität in einem Außenbezirk Bangkoks Foto: Chalinee Thirasupa/reuters

BERLIN taz | Thailands Jugend begehrt auf – mit heftiger Kritik am Königshaus und der bisher größten Demonstration gegen die militärnahe Regierung unter Ex-Armeechef Prayuth Chan-o-cha. Bereits im Februar hatten an Thailands Universitäten und Schulen Proteste begonnen, waren aber wegen der Coronapandemie unterbrochen worden. Nun sind Studenten, Schüler und weitere Aktivisten seit Wochen zurück auf den Straßen – allen Repressionen zum Trotz. Nach Schätzungen der Nachrichtenagentur AFP beteiligten sich Anfang der Woche etwa 4.000 Menschen an Protesten in den Außenbezirken Bangkoks.

Vor wenigen Tagen wurden bereits zwei führende Aktivisten festgenommen. Bei Kritik an der Regierung aus früheren Putschisten um Prayuth und deren politischen Kumpanen drohen Verhaftungen und Anklagen, zumeist wegen Aufwiegelung und Verstößen gegen das Versammlungsverbot.

Bestanden die Studierenden zunächst in erster Linie auf freien und fairen Wahlen, dem Ende staatlich sanktionierter Gewalt gegen Dissidenten sowie Änderungen der umstrittenen Verfassung, welche die Macht des Militärs langfristig zementiert, gehen die Forderungen mancher nun tiefer.

Sie rütteln an den antidemokratischen Grundfesten mit den engen Banden zwischen dem alles andere als politisch neutralen Königshaus und dem feudalistischen Establishment aus Militärs, Technokraten, Aristokraten und Bangkoker Geldadel. Damit geht die Kritik über den zuvor schon geäußerten Vorwurf hinaus, König Maha Vajiralongkorn lasse seine Heimat inmitten der Coronakrise im Stich und residiere luxuriös lieber in Bayern statt in Bangkok.

Die Protestierenden wissen um das Risiko, das sie eingehen. Thailand hat das wohl härteste Gesetz gegen Majestätsbeleidigung weltweit: Bei Schuldspruch in einem einzigen Anklagepunkt drohen bis zu 15 Jahre Haft. In manchen Fällen wurden Angeklagte für Jahrzehnte weggesperrt. Umso beispielloser war die Erklärung, die eine Studentin auf einem Campus der Bangkoker Thammasat-Universität verlas: Sie enthält Forderungen, die darauf abzielten, die Monarchie nachhaltig zu reformieren.

Thais verehrten Vater des Königs

Seit 1932 die absolute Monarchie abgeschafft und die konstitutionelle eingeführt wurde, habe das Volk gehofft, „dass unser Land eine Demokratie mit dem König als Staatsoberhaupt sein würde, der wirklich über der Politik steht“. Diese Hoffnung habe sich nicht erfüllt, so die Erklärung, und das sei die Wurzel politischer Probleme.

Bevor der jetzige König Vajiralongkorn im Dezember 2016 proklamiert wurde, hatte dessen Vater Bhumibol Adulyadej mehr als 70 Jahre lang auf dem Thron gesessen. Anders als sein Sohn war Bhumibol von vielen Thais tief verehrt worden. Vajiralongkorn wird unter anderem vorgehalten, er habe sich die alleinige Kontrolle über das Vermögen des Palastes gesichert, das laut Medienberichten mal auf über 30 Milliarden, mal auf über 50 Milliarden US-Dollar geschätzt wird.

In der Erklärung der Studenten heißt es nun, der Verfassung müsse eine Passage hinzugefügt werden, die es der Politik ermögliche, Fehlverhalten des Königs zu untersuchen. Auch dürfe Thailands König künftig keine Militärputsche mehr absegnen.

Die Reaktionen der Gegner ließen nicht lange auf sich warten: Die Demonstranten seien zu weit gegangen. Schon zuvor hatte sich Thailands Armeechef Apirat Kongsompong zu Wort gemeldet, der berüchtigt dafür ist, prodemokratische Aktivisten und Politiker zu verunglimpfen: Der „Hass auf die Nation“ stelle eine größere Bedrohung dar als das Corona­virus.

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