heute in hamburg
: „Es gab immer Widerstand“

Exkursion „Bismarck und die Hambur- ger*innen“: 18 Uhr, Heine-Denkmal an der Südseite des Rathausmarktes, 5 Euro, Anmeldung unter https://hamburg.rosalux.de

Interview Maike Krob

taz: Herr Bönig, wie kommt es, dass ausgerechnet Hamburg die größte Bismarck-Statue errichtet hat?

Jürgen Bönig: Bismarck hat durch die Gründung des Deutschen Reiches und die Errichtung eines Freihafens den Aufschwung Hamburgs erst möglich gemacht. Hamburg profitierte durch den Freihafen, weil Waren dort eingelagert werden konnten und nur Zoll bezahlt werden musste, wenn sie in das Deutsche Reich gingen. Der Zollschutz ermöglichte es zugleich den landwirtschaftlichen Großbetrieben, ihre Produkte an die städtische Bevölkerung zu höheren Preisen abzusetzen, als es beim Freihandel möglich gewesen wäre. Die Kaufleute hatten also freien Handel und Industrie und Landwirtschaft hatten den zeitweiligen Schutz durch Zoll. Bürger Hamburgs haben im Optimismus der Wirtschaftsentwicklung des Deutschen Reiches für seine Reichsgründungspolitik dieses Denkmals eines mit dem Schwert nach Westen wachenden Rolands errichtet.

Haben sich die Hamburger*innen in diesem Moment selbst verleugnet?

Verleugnet ist untertrieben. Alle Bestrebungen, wie die einer bürgerlichen Regierung, eines bürgerlichen Militärs und einer republikanischen Staatsform, sind durch den Beitritt zum Deutschen Reich unter die Räder gekommen.

Gab es darüber Streit in der Stadt?

Es gab immer Widerstand dagegen, aber Bismarck war, als er starb und die Statue errichtet worden ist, noch nicht so als problematisch erkennbar wie später. Denn die Folgen seiner Politik, nämlich koloniale und innerimperialistische Kriege wie der Völkermord an den Herero und Nama, der Erste und Zweite Weltkrieg, waren nur für wenige als Konsequenz dieser Politik des Nationalstaates erkennbar.

Ist es gerechtfertigt, Bismarck auf seinen rassistischen Kolonialismus zu reduzieren?

Foto: Bert Beyers

Jürgen Bönig 67, der Soziologe und Historiker bezeichnet sich auf seinen Rundgängen als „Spurenleser“ von Karl Marx und Friedrich Engels.

Nein. Bismarck hat eine Politik gemacht, die sich der Mittel eines rassistischen Nationalismus, des Krieges und der Unterdrückung von Opposition im Inneren bediente und so einen ausschließenden Nationalstaat schuf.

Gab es eine andere Lösung als eine Nationalstaatsbildung durch Krieg?

Während des gesamten 19. Jahrhunderts gab es Vorschläge für eine andere Form von Staatsgründung, die nicht auf Nationalismus aufbaut, sondern einer republikanischen mit Freiheit im Inneren, die mit anderen Staaten Zusammenschlüsse hätte schmieden können, auf friedliche Weise. Die Erfindung, dass jemand irgendwo geboren ist und dadurch eine besondere Qualität habe, birgt bereits in sich verheerende ideologische Konsequenzen.