Stabile Achse für eine lange Reise

Den 4:1-Erfolg gegen den FC Chelsea wertet man beim FC Bayern als wichtiges Signal an die Konkurrenz. Auch wenn im Viertelfinale nun Barça wartet, sprechen Spieler bereits vom Champions-League-Gewinn

Ganz obenauf: Robert Lewandowski lässt sich gern mal tragen, arbeitet aber auch wieder mehr für das Team Foto: dpa

Die Frage musste ja kommen, und Frank Lampard konnte gar nicht anders, als zu antworten: „Auf jeden Fall“ sei der FC Bayern Favorit auf den Champions-League-Sieg, sagte der Trainer des FC Chelsea, jener Mannschaft, die gerade 4:1 vom deutschen Rekordmeister bezwungen worden war im Achtelfinal-Rückspiel der Königsklasse. Jener Mannschaft, die insgesamt sieben Tore in zwei Partien gegen die Münchner kassierte. Die eigene Leistung rückt aber in ein anderes, ein etwas besseres Licht, wenn man den Gegner auf einen Thron hebt, ein bisschen entrückt vom eigenen Niveau. „Sie haben ein tolles Team, einen sehr guten Trainer und viel Erfahrung in der Mannschaft“, sagte Lampard.

Der frühere Profi, der als Chelsea-Kapitän im Finale dahaom 2012 beteiligt war an der bittersten Bayern-Niederlage der Klub-Geschichte, ist nicht der Einzige, der die Münchner als aussichtsreichen Kandidaten für die Nachfolge von Liverpool sieht. Die Bayern selbst sind es, die mit nichts anderem planen, als den Aufenthalt in Portugal, der am Sonntag mit einem Trainingslager an der Algarve begann, bis zum Ende des Turniers auszudehnen und am 24. August, dem Tag nach dem Finale, den Henkelpott mit nach München zu bringen. „Nicht locker flockig durchmogeln“ war deshalb Ziel am Samstag, sagte Thomas Müller, sondern so aufzutreten, „dass die anderen Bescheid wissen, wir lassen nicht nach“. Die anderen, das ist erst einmal der FC Barcelona im Viertelfinale am kommenden Freitag.

Nicht einen Moment zögerte Niklas Süle mit einem selbstbewussten Ja, als ein Reporter wissen wollte, ob der FC Bayern die Champions League gewinnt. Ein gewisses Selbstverständnis, wie es Müller nennt, zeichnet die Mannschaft aus. Alle acht Spiele dieser Champions-League-Saison haben die Münchner gewonnen, das ist zuvor noch keinem Team gelungen. „Wir stürmen von Rekord zu Rekord“, weiß Müller, „und dazu gehört mehr als Talent.“

Flick hat es geschafft, dass die Spieler ihre Eigeninteressen zurückstellen. Das beste Beispiel liefert seit Monaten Robert Lewandowski. Früher haderte der Stürmer, wenn er sich allein gelassen fühlte. Und die Mitspieler hätten sich dafür, wie Müller neulich zugab, manchmal mehr Laufarbeit vom Stürmer gewünscht. Mittlerweile haben sie zueinandergefunden, auf Lewandowskis Engagement für die Mannschaft ist Verlass, wenngleich nicht in jedem Training, wie Leon Goretzka zuletzt feststellte. „Aber er hat nur gesagt: ‚Bleib ruhig. Samstag ist wichtig.‘“ Gegen Chelsea traf er zweimal und war an den anderen Bayern-Toren von Ivan Perisic und Corentin Tolisso beteiligt.

Lewandowski ist das eine Ende dieser Bayern-Achse, die an jene von 2013 erinnert. Am anderen steht wie vor sieben Jahren schon Manuel Neuer. Flick hat dafür gesorgt, dass auch die Positionen dazwischen wieder besetzt sind, durch Müller, Joshua Kimmich sowie David Alaba und Jérôme Boateng. Beim Weltmeister von 2014 sah es am Samstag kurz so aus, als ob er in Portugal nicht zu dieser Achse der Etablierten gehören könnte. Als Boateng in einer brenzligen Situation per Kopfball-Rückgabe zu Neuer klärte, vertrat er sich den Fuß und musste behandelt werden. „Ich denke, es ist nicht ganz so schlimm“, beruhigte der Bayern-Trainer. Weil Kimmich wegen Benjamin Pavards Verletzung auf der rechten Abwehrseite aushelfen muss, rückte Thiago in die von Flick installierte Kommunikationsachse. Bei ihm kann sich der Trainer sicher sein, dass er Bayern und vor allem Spitzenteams der Premier League, wohin es den Spanier zieht, beweisen will, auch in großen Spielen ein großer Spieler zu sein. Ein bisschen Eigeninteresse ist schon noch dabei. Aber das kann auch ganz nützlich sein für die ganze Mannschaft.