Neubau des Berliner Jahnstadions: Tabula Rasa im Mauerpark?

Zwar betont die Sportverwaltung, dass die Hinterlandmauer und der Hügel im Mauerpark bleiben sollen. Eine Simulation zeigt aber das Gegenteil.

Die Mauer ist weg, die Böschung und das Amphitheater auch Foto: Drees&Sommer

BERLIN taz | Es wäre ein geschichtsloser Beitrag des Senats zu dreißig Jahren Wiedervereinigung. Im Zuge des Abrisses und des geplanten Neubaus des Stadions im Jahnsportpark soll auch die denkmalgeschütze Hinterlandmauer samt der Böschung verschwinden, die den Sportpark vom angrenzenden Mauerpark trennt. Das geht aus einer Simulation der Senatsverwaltung für Sport hervor. Ein Sprecher der Verwaltung betont dagegen, dass die Hinterlandmauer bleibe. „Ein Abriss steht nicht und stand nie zur Debatte.“

Die Simulation stammt vom Architekturbüro Drees&Sommer und ist Teil einer zehnseitigen Kurzfassung einer neuen Machbarkeitsstudie der Sportverwaltung. Die endgültige Studie soll nach der Sommerpause vorliegen. Der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses hatte eine neue Studie zur Bedingung gemacht, dass die Mittel für den Stadionabriss in Höhe von 14 Millionen Euro freigegeben werden.

In der Kurzfassung der neuen Studie, die der taz vorliegt, ist die Simulation überschrieben mit der Zeile „Mögliche Gestaltung nach Machbarkeitsstudie“. Eine andere Variante ist in der Studie nicht enthalten. Für Alexander Puell, den Vorsitzenden des Vereins der Freunde des Mauerparks, ist das ein Hinweis dafür, dass es sich dabei um die von der Sportverwaltung bevorzugte Variante handelt. „Hier wird mit Presslufthammer und Abrissbirne ein weiteres Symbol der deutsch-deutschen Geschichte getilgt“, so Puell.

Puell gibt sich mit der Erklärung der Sportverwaltung nicht zufrieden. „Wenn der Verwaltung geeignete Mittel und Wege bekannt sind, die Mauer zu integrieren, sollten diese auch benannt und dargestellt werden“, so Puell. Er vermutet, dass eine Lösung mit Mauer gar nicht so einfach sein würde. „Würden die Hinterlandmauer und der Hügel im Mauerpark nicht angefasst werden, müsste dort eine sieben Meter hohe Spundwand eingezogen werden. Dies passt eventuell nicht ins Flucht-und Rettungskonzept.“

Ähnlich argumentiert auch der Architekt Philipp Dittrich von der Bürgerinitiative Jahnsportpark. „Das Stadion soll auf Nullniveau gebaut werden, also auf der selben Ebene wie die umgebenden Straßen“, sagt Dittrich. „Das würde bedeuten, dass das neue Stadion tiefer liegt als das bisherige.“ Einschließlich der Hinterlandmauer würde so ein Höhenunterschied von elf Metern entstehen. Zwischen Stadion und der Spundwand wäre also eine dunkle, enge Schlucht. Dittrich glaubt, dass ein Stadionneubau ohne Mauer und Hügel für die Sportverwaltung einfacher sei. „Alles andere ist mit höheren Kosten verbunden.“

Federführend für die Planungen im Jahnsportpark ist die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, die das Bebauungsplanverfahren seit längerem schon an sich gezogen hat. Allerdings sollen der Abriss des Jahnstadions und der geplante Neubau nicht Teil des B-Plans sein. Ein Sprecher der Sportverwaltung begründet das damit, dass es sich hier um einen „Ersatz-Neubau“ handele.

Der Linken-Abgeordnete Michail Nelken fordert dagegen ein städtebauliches Verfahren, das auch das Stadion mit einschließt. In der vergangenen Woche waren Linke, Grüne und SPD mit den beteiligten Senatsverwaltungen zusammen gekommen, um eine Lösung in dem Streit zu finden. Nun sieht es danach aus, als hätte sich der Konflikt eher noch verschärft.

Neben Nelken fordern auch die Grünen eine ernsthafte Prüfung, ob nicht das bestehende Stadion zu einer inklusiven Arena umgebaut werden könne. Der Abbau von Barrieren ist auch der Grund für die Eile, mit der der Senat beim Stadion Fakten schaffen will. Ursprünglich war geplant, dass im neuen Stadion 2023 die Special Olympics World Summer Games für Sportler mit Behinderungen ausgetragen werden sollen. Nun soll der Neubau 2024 oder 2025 fertig sein.

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