Umstrittene Tempeleinweihung in Indien: Religion wird zum Staatsakt

Ein Tempelbau reicht zwar nicht, um Indien in einen hinduistischen Staat umzuwandeln. Doch die Agenda der Regierung ist kein Geheimnis.

eine Gruppe von traditionell gekleideten Priestern schaut in die Kamera

Hinduistische Priester nach der zeremoniellen Grundsteinlegung für den umstrittenen Tempel Foto: Rajesh Kumar Singh/ap

Mit der Grundsteinlegung für den umstrittenen Tempel im nordindischen Ayodhya verspricht Premierminister Narendra Modi eine Wende. Genau rechtzeitig vor den nächsten Parlamentswahlen (2024) soll der dreistöckige Tempel zu Ehren des Hindu-Gottes Ram auf dem Grundstück entstehen, auf dem bis 1992 die historische Babri-Moschee stand. Auf diesen Tag haben viele hochrangige Funktionäre gewartet. Im Mittelpunkt steht dann allerdings nur eine Person: der indische Premier Modi, der in seiner zweiten Amtszeit zu den Taten schreitet, die bereits im Manifest seiner Partei BJP schlummern. Pandemie hin oder her.

So hatte der Tag mehr von einem Staatsakt als von einer Tempeleinweihung. Im akribischen Planen und der großen Inszenierung ist Modi Meister. Wie groß mag da erst die Eröffnung des Tempels in Corona-freien Zeiten ausfallen? Der Gedanke daran soll der Bevölkerung Hoffnung auf bessere Zeiten machen.

Die 50.000-Einwohner-Stadt Ayo­dhya an der Grenze zu Nepal bekam in der Vergangenheit Aufmerksamkeit vor allem wegen des jahrzehntelangen teils blutigen Konflikts zwischen Muslimen und Hindus, der von der britischen Kolonialmacht befeuert, aber später nie richtig geschlichtet wurde. Vielleicht ist auch deshalb die Euphorie unter der Bevölkerung oben im Norden groß, so wie das indische Fernsehen es überträgt. Zumindest auf der einen Seite. Bei den Muslimen ist es still. Das ihnen zugeteilte Ausgleichsgrundstück ist unberührt. Die Priorität liegt auf dem religiösen Sentiment der Mehrheitsgesellschaft, den 80 Prozent Hindus.

Einen Tempel zu bauen reicht zwar nicht, um Indien in einen hinduistischen Staat umzuwandeln, doch die prohinduistische Agenda der Regierung ist kein Geheimnis. Die oppositionelle Kongresspartei wird sich ihr nur bedingt in den Weg stellen. Es scheint, dass sich an dem Motto des ehemaligen Kongress-Premiers P. V. Narasimha Rao nicht viel geändert hat: „Ich kann gegen die BJP kämpfen, aber nicht gegen Lord Ram“, soll er gesagt haben – nachdem die Moschee zerstört worden war.

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Natalie Mayroth schreibt seit 2015 für die taz. Seit 2017 berichtet sie aus Indien und Südasien. Sie kam damals mit einem JournalistInnen-Stipendium nach Indien. In München absolvierte sie 2014 ihren Magister in Europäischer Ethnologie, Soziologie und Iranistik. Natalie Mayroth ist deutsch-iranischer Herkunft.

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