Die vergessene atomare Gefahr: 100 Sekunden vor Mitternacht

Zum 75. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima fällt auf: Der Wille zur Rüstungskontrolle hat erheblich nachgelassen.

Ein als US-Präsident Trump verkleideter Aktivisten fährt vor dem Brandenburger Tor auf einem fahrbaren Modell einer Atombombe

Der Wille zur Rüstungskontrolle hat nachgelassen, die Proteste gegen Aufrüstung nicht Foto: Fabian Sommer/dpa

Als das angesehene Bulletin of Atomic Scientists 1947 die ikonische Doomsday Clock erfand, standen deren Zeiger auf fünf Minuten vor Mitternacht. Im vergangenen Januar rückte die Redaktion, die von 13 Nobelpreisträ­ge­r:in­nen beraten wird, die Zeiger vor: auf nur noch 100 Sekunden vor Mitternacht.

Die Menschheit stehe heute vor zwei existenziellen Gefahren, so die Begründung: zum einem vor einem drohenden Atomkrieg und zum anderen vor dem zunehmenden Klimawandel. Beide Gefahren würden durch die heutigen elektronischen Möglichkeiten verschärft, Informationen global zu streuen und Krisen anzuheizen. Es ist eine treffende und aufrüttelnde Beschreibung der globalen Lage. Die Weltmächte, heißt es, hätten zugelassen, dass die internationale politische Infrastruktur zum Krisenmanagement zunehmend zerbrösele.

Die großen Schritte der Großmächte zur Rüstungskontrolle und Vertrauensbildung sind in den letzten Jahren nach und nach einkassiert worden, der Wille, sie zu erneuern, ist geschwunden.

Der INF-Vertrag über nukleare Mittelstreckenraketen, gegen die 1982 Millionen auf die Straßen gingen, wurde von den USA gekündigt. Ebenso der Open-Skies-Vertrag, der gemeinsame Patrouillen per Flugzeug über dem Territorium des Gegners ins Leben rief.

Das Gedenken: Mit einer Schweigeminute hat Japan der Opfer des Atombombenabwurfs auf Hiroshima vor 75 Jahren gedacht. Überlebende, Verwandte und andere Teilnehmer begingen den Moment um 8.15 Uhr mit einem Glockenschlag, um an den Abwurf auf die Stadt am 6. August 1945 zu erinnern.

Die Atombombe: Die USA hatten vor 75 Jahren die erste Atombombe auf Hiroshima abgeworfen, die Stadt zerstört und 140.000 Menschen getötet, die meisten Zivilisten und viele Kinder. Drei Tage später warfen die USA eine weitere Atombombe auf Nagasaki und töteten weitere 70.000 Menschen. Japan kapitulierte am 15. August, womit der Zweite Weltkrieg und die japanische, fast ein halbes Jahrhundert andauernde Gewaltherrschaft in Asien endeten.

Die taz-Berichte: Weitere Texte zum Jahrestag des Atombombenabwurfs finden sie hier.

Das New-START-Abkommen über die Verringerung strategischer Nuklearwaffen läuft 2021 aus. Nur der Atomwaffensperrvertrag gilt weiter, doch er wird mehr und mehr ausgehöhlt. Weitere Staaten haben sich atomar bewaffnet. Negative Folgen für sie: keine.

Die weltweite Zivilgesellschaft ist dabei schon viel weiter als die von kurzfristigen Machtinteressen geleiteten Großmächte. Die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen ICAN hat 2017 einen entsprechenden Vertrag formuliert, für den sie den Friedensnobelpreis erhielt und der von 122 Staaten der UNO-Generalversammlung angenommen wurde. Die bisherigen Atommächte und auch Deutschland gehören nicht dazu. Leider – dabei sollte unser Land helfen, die Doomsday Clock wieder zurückzudrehen.

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