heute in bremen
: „Gedenken mit Forderungen verknüpfen“

Foto: Jannis Altenhenne

Sabrina Bläß, 29, bei Greenpeacen engagiert und Anti-Atom-Aktivistin.

Interview Selma Hornbacher-Schönleber

taz: Wieso haben die USA vor 75 Jahren Hiroshima und Nagasaki bombardiert?

Sabrina Bläß: Der Einsatz dieser Massenvernichtungswaffe sollte Japan schnellstmöglich zur Kapitulation zwingen. Man muss sich aber klar machen, dass das nicht „nur“ ein Bombenangriff war, sondern auch nachträglich große Folgen hatte. Die Bevölkerung starb noch nach dem Angriff selbst durch die Strahlung und Verletzungen, Ernten vergingen, Infrastruktur musste nachgebaut werden. Bei den Explosionen sind etwa 200.000 Menschen gestorben, in Folge von Atomwaffentests bis heute aber etwa 2,4 Millionen.

Ist die Lichtinstallation heute Abend als Gedenken gemeint?

Es geht darum, das Gedenken an vergangene Opfer mit Forderungen nach einer atomwaffenfreien Welt zu verknüpfen.

Wie realistisch ist diese Forderung denn?

Das ist realistisch. Im Sinne von: es geht nicht von jetzt auf gleich, das ist ein Plan, der längere Zusammenarbeit braucht. Aber er ist umzusetzen, oder besser, muss umzusetzen sein. Da bleibt uns auch nicht viel Zeit, wie man an dem angespannten politischen Klima sieht.

Deutschland ist doch keine Atommacht...

...aber trotzdem involviert. Erstens ist Deutschland Mitglied der NATO, zusammen mit mehreren Atommächten. Zweitens hat es atomare Teilhabe, weil die USA Atomwaffen auf deutschem Gebiet stationiert haben. Wenn sich die USA entscheiden, die einzusetzen, ist Deutschland verpflichtet, sie von deutschen Soldat*innen abwerfen zu lassen. Und drittens kommen solche Stützpunkte im Falle eines Krieges natürlich als Angriffsziele in Frage.

Lichtinstalla­tion von Greenpeace mit Kerzen, zum Gedenken an den Atombombenabwurf auf Hiroshima: in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, 1.15 Uhr, vor dem Theater am Goetheplatz

Inwiefern ist das Thema gerade aktuell?

Aktuell geht es in der deutschen Debatte darum, ob neue Atomwaffenträger von den USA gekauft werden. Die Politik ist hier sehr intransparent, man schätzt, dass um die 20 Atomwaffen an unterschiedlichen Stützpunkten in Deutschland stehen. Ein Stützpunkt soll jetzt für 8,8 Milliarden Euro renoviert werden. Deutschland hat sich 1973 im „Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag“ zu nuklearer Abrüstung verpflichtet. Und jetzt, fast 50 Jahre später, sollen fast neun Milliarden Euro für Atomwaffen ausgegeben werden? Das geht so nicht.

Wo hat Deutschland Handlungsspielraum?

Erstens muss Deutschland Verantwortung zeigen, indem es den neuen Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet. Bremen ist 2017 beispielhaft vorangegangen, indem es die Bundesregierung mit drei weiteren Bundesländern aufgefordert hat, den Vertrag zu unterzeichnen. Auch Bürger*innen können durch Petitionen Druck machen. Dieser Vertrag ist konkreter als der von 1973 und untersagt, Atomwaffen zu besitzen, zu verwalten und anzuwenden. Weil Deutschland über atomare Teilhabe verfügt, wäre das ein großes Zeichen und würde den Druck für andere Staaten erhöhen, auch zu unterzeichnen. Oft heißt es, man könne dann nicht in der NATO bleiben. Aber das stimmt so nicht: auch Griechenland und Kanada weigern sich, Atomwaffen zu verwalten. Zweitens ist Deutschland gerade nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat und hat damit besonderen Einfluss auf die Rüstungspolitik weltweit.