Alleinerziehende in Bremen: Aktionsplan kommt nicht voran

Durch die Coronapandemie ist die Situation Bremer Alleinerziehender noch prekärer. Dabei hatte sich das Land 2019 genau das Gegenteil vorgenommen.

Kind läuft mit Elternteil auf einer Wiese in den Sonnenuntergang

Ein romantischer Mutter-Kind-Moment – im Gegensatz zu Job- oder Kitaplatz-Suche Foto: dpa

BREMEN taz | Die Coronakrise trifft Alleinerziehende besonders hart. Viele von ihnen hatten in den letzten Monaten keinen Anspruch auf Notbetreuung; auch nach dem Sommer ist die Kinderbetreuung eingeschränkt. Und die Erarbeitung des Aktionsplans für Alleinerziehende, den der Senat laut eines Beschlusses der Bürgerschaft von September entwickeln soll, stockt gewaltig. So steht es im Zwischenbericht des Senats, der letzte Woche veröffentlicht wurde.

Das ist „alles andere als gut“, findet Sahhanim Görgü-Philipp, Grünen-Fraktionssprecherin für Soziales. Denn: „Alleinerziehende haben in Bremen das höchste Armutsrisiko.“ Das, was die Pläne des Senats bislang erkennen lassen – ein Arbeitsmarktprogramm und flexi­blere Kinderbetreuung –, sind für Görgü-Philipp jedoch die richtigen Schwerpunkte. Wichtig sei auch, dass Alleinerziehende Ausbildungen in Teilzeit machen können. Sie erwartet vom Senat entsprechende Gespräche mit Kammern und Unternehmen.

Das genannte Arbeitsmarktprogramm soll auf den Erfahrungen des Modellprojekts „Vermittlung und Integration von Alleinerziehenden in Arbeit“ (VIA) entwickelt werden, so der Plan der Regierung. Eine Fachtagung, für die die Ergebnisse entsprechend hätten aufbereitet werden müssen, wurde aber wegen des Virus verschoben – inklusive der Prüfung einer Übertragung der Ergebnisse auf andere Stadtteile in Bremen und Bremerhaven.

Das müsse jetzt zügig nachgeholt werden, fordert Elke Heyduck, Geschäftsführerin der Arbeitnehmerkammer Bremen. Daneben bemängelt sie die Kinderbetreuung – trotz des Ausbaus, der gut vorangehe: „Es ist nach wie vor so, dass wir in Bremen die größte Lücke zwischen Bedarf und Angebot haben.“ Heyduck schlägt ein Betreuungsangebot vor, welches an das Jobcenter angegliedert ist.

Sahhanim Görgü-Philipp, Grüne

„Alleinerziehende haben in Bremen das höchste Armutsrisiko“

Eine Aus-, Fortbildung oder ein Job dürfe nicht daran scheitern, dass keine Betreuungsmöglichkeit gefunden wird. Man müsse ein Kontingent an Plätzen für diese Fälle schaffen, das sei besser als einen reinen Vorrang Alleinerziehender auf Betreuungsplätze. Für genau so ein Modellprojekt sei ein Träger gefunden worden, berichtet der Senat. Start des Projekts ist, wenn alles klappt, Anfang 2021.

Die zuständige Arbeitsgruppe setzt sich zudem mit dem Thema Gesundheit auseinander. Zu Recht, so Heyduck. „Oft scheitert die Arbeitsaufnahme an Belastungssituationen und gesundheitlichen Problemen.“ Niedrigschwellige Präventionsangebote – Kuren, Ferienkurse für Kinder zur Entlastung – müssten deshalb her.

Auch Maja Tegeler, frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion begrüßt, dass das Thema Gesundheit mit berücksichtigt wird, neben Fragen des Wohnens und der Pandemiefolgen. „Wir erwarten zudem, dass die Ausweitung flexibler Betreuungsangebote nach dem Vorbild von MOKI tatsächlich auch umgesetzt wird.“

Die kostenlose, mobile und flexible Kinderbetreuung (MOKI) wird vom Familienzentrum „Mobile“ in Hemelingen angeboten. Der Senat will bis Ende des Jahres prüfen, ob eine Ausweitung auf andere Stadtteile möglich ist.

„Luft nach oben“ sieht sie genau wie Görgü-Philipp beim Ausbau von Teilzeitausbildungen und der Kommunikation darüber mit privaten Unternehmen. Die Jugendberufsagentur, so steht es im Senatsbericht, prüfe bis Ende 2020, „inwieweit Ausbildungsberater*innen eingesetzt werden können“, die Unternehmen über Teilzeitausbildungen zu informieren.

Diesen Prüfauftrag versteht Sandra Ahrens, familienpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, nicht. „Das ist eine einfach Ja-Nein-Entscheidung.“ Sie kann dem Zwischenbericht nicht so viel abgewinnen wie ihre Kolleginnen und wirft der Regierung „Arbeitsverweigerung“ vor. Wie Heyduck fordert sie eine schnelle Auswertung des VIA-Projekts; nur dann könne man beginnen, „ein vernünftiges Programm zu stricken“.

CDU fordert Kinderbetreuung – so früh wie möglich

Dieses Programm, so Ahrens, müsse dafür sorgen, dass arbeitslose Alleinerziehende automatisch einen Betreuungsplatz erhalten – ob über Kontingentplätze oder eine Priorisierung. Und das, „sobald eine sichere Bindung zwischen Mutter und Kind“ besteht. „Tun wir das nicht, sorgen wir letztlich dafür, dass sie dauerhaft in der Arbeitslosigkeit verbleiben.“

Größtenteils seien Arbeitslose „schwer vermittelbares Klientel“ und Frauen. Ahrens findet, dass der Staat keinerlei Rahmenbedingungen schafft, die Alleinerziehende unterstützen könnten, und kündigt an: „Wir werden Nachfragen zu den offenen Punkten stellen.“

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