die woche in berlin
: die woche in berlin

Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) hat mit Verspätung Geld zurückbezahlt, das sie als Aufsichtsrätin bekommen hatte und nicht komplett hätte behalten dürfen. Der schon öfter totgesagte BerlKönig darf nun doch noch ein Weilchen durch den Innenstadtring kutschieren. Und viele BerlinerInnen regen sich – zu Recht, zu Unrecht? – über auf Corona pfeifende Partymenschen auf.

Wenn Ideen zu früh kommen

Der BerlKönig bekommt noch einmal eine letzte Gnadenfrist

Eine neue Idee oder eine innovative Technologie ist manchmal genau die richtige Antwort auf vorhandene Probleme – trotzdem scheitern sie, weil die Zeit für sie noch nicht reif ist. Beim BerlKönig, dem Ridepooling-Angebot der BVG, könnte es genau so kommen. Wenn denn nicht in den kommenden drei Monaten in den Gesprächen zwischen allen Beteiligten der Knoten platzt. Bis Ende Oktober wurden die Verträge verlängert, sehr wahrscheinlich ist die Rettung aber nicht.

Die Sache ist kompliziert. Das fängt schon damit an, dass viele potenzielle KundInnen, nämlich die älteren Jahrgänge, das Konzept des Ridepooling – man könnte sagen: „Algorithmus-optimiertes Sammeltaxi“ – noch gar nicht so recht verstanden haben und mit den Zugangsmodalitäten (App? Kreditkarte?! PayPal?!?) fremdeln. Oder dass unsere Mobilitätsgewohnheiten immer noch andere sind. Mit Ridepooling kommt man deutlich komfortabler, weil ohne umzusteigen und direkt, ans Ziel, aber nicht notwendigerweise schneller. Das kann zu Produktenttäuschungen führen.

Schon deshalb dürfte klar sein, dass bei der Nachfrage nach dem Service noch viel Luft nach oben ist und das Geschäft auf Zuschüsse angewiesen ist. Öffentliche Zahlen gibt es nicht, aber dem Vernehmen nach buttert der private BVG-Kooperationspartner ViaVan den Großteil zum laufenden Verkehrsversuch zu, den Rest trägt die BVG, und vom Senat direkt kommt praktisch – niente.

Dass es ohne Subventionen vorläufig nicht geht, zeigt das Schicksal des Konkurrenten CleverShuttle. Die Bahn AG machte ihr defizitäres Projekt Ende Juni praktisch von heute auf morgen dicht.

Die Senatsverkehrsverwaltung fremdelte von Anfang an mit dem Experiment. Und in dem druckfrischen Verkehrsvertrag mit der BVG, mit dem das Land bei seinem Unternehmen die gewünschten Leistungen für die Jahre 2020–35 bestellt, kommt kein BerlKönig vor. Eine „unternehmerische Entscheidung“ sei es, ob die BVG mit dem Angebot weitermache, sagte Senatorin Regine Günther (Grüne). Das wäre zum jetzigen Zeitpunkt das Todesurteil für die schwarz-bunten Vans.

Wie könnte nun doch noch ein Schuh daraus werden? Am ehesten, indem das Land Berlin einen dringend benötigten Rufbus-Service für die Außenbezirke ausschreibt – wovon auch im Verkehrsvertrag die Rede ist –, diesen aber mit der Lizenz zum Innenstadt-Ridepooling verknüpft. In dieser Kombination könnte sich das Modell möglicherweise tragen. So richtig billig würde es für das Land sicher nicht. Aber dass die Verkehrswende billig zu haben ist, hat ja nie jemand behauptet. Claudius Prößer

Die da oben müssen einfach sauber sein

Stadtentwicklungssenatorin gab Vergütung nicht zurück

Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher von der Linkspartei hat also jüngst mit jahrelanger Verspätung Geld zurückbezahlt, das sie als Aufsichtsrätin in landeseigenen Unternehmen bekam und nicht komplett hätte behalten dürfen. Sie habe erst auf eine Zahlungsaufforderung gewartet, dann sei die Sache in Vergessenheit geraten, hieß es am Mittwoch zur Begründung aus ihrer Senatsverwaltung. Um Einkünfte aus drei Jahren geht es, von 2017 bis 2019. Wäre Lompscher eine normale Bürgerin, könnte man sagen: Rechnungen bezahlen viele auch erst bei der wiederholten Mahnung, Steuern gleichfalls – was allerdings an sich schon traurig ist.

Lompscher ist aber keine normale Bürgerin, sondern in einer herausgehobenen Position und zudem in einer Partei, die sich oft als das soziale Gewissen der Stadt sieht. Als Senatorin bekleidet sie ein öffentliches Amt, in dem weiterhin mutmaßlich viele Menschen durch und durch seriöse Politiker und Vorbilder sehen wollen.

Die Vergütungen für ihre drei Aufsichtsratsjobs, die nicht annähernd so hoch dotiert sind wie in DAX-Unternehmen, nicht sofort komplett in die Landeskasse zurückgezahlt zu haben, macht nun aus Lompscher keinen unseriösen Menschen. Aber in einer Zeit, in der das Vertrauen vieler in die Politik, ihre Gremien und ihre Akteure erschüttert ist, tragen auch kleine Verfehlungen dazu bei, diese Entwicklung zu verstärken.

Das gilt umso mehr, wenn so etwas bei einem Menschen passiert, der bei aller inhaltlichen Kritik über solche Schwächen erhaben schien. Lompscher ist seit Jahren wegen ihrer Baupolitik, die ihre Gegner für eine Neubau-Verhinderungspolitik halten, unter starker Kritik. Nachvollziehbare charakterliche Kritik an ihr war aber nicht zu hören oder zu lesen. Sauber in einem oft unsauberen Geschäft zu sein, war ein Pfund für Lompscher.

Dieses Bild ist nun zumindest angekratzt. Das schadet ihr, aber es hat eben auch weitergehende Folgen. Verbreitete Meinung könnte nun sein: Wenn die politische Elite – „die da oben“ – es mit Vorgaben und Regeln nicht so ernst nimmt, dann muss es ja wohl der Normalo, „der kleine Mann“, damit auch nicht so genau nehmen. Umso unangenehmer ist dabei, dass die parlamentarische Anfrage, die Lompschers Rückzahlung auslöste, ausgerechnet von der AfD-Fraktion kam. Jener Partei, die ohnehin dauerhaft nahelegt, das System sei marode.

Das Tragische ist, dass Lompscher die ganze Sache tatsächlich wirklich bloß vergessen haben könnte und sich selbst vielleicht am meisten darüber ärgert, jetzt als eine Art Nimmersatt dazustehen. Denn drei Viertel der Aufsichtsratsbezüge durfte sie ja sowieso ganz offiziell behalten, und die knapp 2.000 Euro, die sie davon jährlich weitergeben musste, sind Peanuts im Verhältnis zu ihrem sechsstelligen Jahresgehalt im Senat.

Ja, Politiker sind auch nur Menschen – aber in einem Regierungsamt müssen sie eben bessere Menschen sein.

Stefan Alberti

Lasst sie doch auch feiern!

Illegale Party in einem Park sorgt für Negativschlagzeilen

Dass „die Alten“ das Verhalten „der Jugend“ als albern, selbstsüchtig, laut, vulgär, ignorant, unziemlich etc. brandmarken, ist eine seit Jahrhunderten gepflegte Umgangsform zwischen den Generationen. Da erstaunt es nicht, dass nach einer erneuten illegalen Open-Air-Party in der Hasenheide Samstagnacht mit mehreren Tausend Teilnehmenden das Urteil der älteren Menschen in der Presse und den sozialen Medien einhellig ausfiel: „Unverantwortlich“ sei die Missachtung der Corona-Abstands- und Hygieneregeln, so das Echo auf die Technobässe im Park. Und vor dem Hintergrund der anhaltenden (und sich derzeit eventuell sogar wieder ausweitenden) Coronapandemie scheint die Ethik auf ihrer Seite.

Tatsächlich sind die unisono verfassten Breitseiten und moralinsauren Tweets ein Zeichen dafür, dass die Komplexität der Coronakrise und ihrer Folgen für eine Großstadt wie Berlin nicht in Gänze begriffen wurde. Für einige Wochen und auch ein paar Monate war das Diktum des Verbots – zugespitzt unter dem Motto „Wir bleiben zu Hause“ – richtig und durchsetzbar.

Doch nach dieser ersten Coronaphase und im Hinblick auf eine auch zeitlich völlig unklare Entwicklung ist die Fragestellung längst anders: Was ist möglich? Was kann ausprobiert werden? Wo reagiert die Politik zu hart? Darauf weisen auch unzählige Gerichtsentscheidungen hin – etwa, als das Verwaltungsgericht vor zehn Tagen das generelle Verbot von erotischen Massagen und die Schließung von BDSM-Studios in Berlin kippte.

Wer als junger Mensch in einer Großstadt lebt, tut das nicht, um möglichst schnell am Freitagnachmittag Richtung Wochenendhäuschen in die Uckermark zu verschwinden – nur mal als Beispiel –, sondern unter anderem, weil hier, wie man früher sagte, das Leben tobt.

Berlin hat sich da in den vergangenen beiden Jahrzehnten auf private Unternehmer und Clubbetreiber verlassen und diese sogar weltweit beworben. Vom Land finanzierte Jugendclubs hingegen wurden geschlossen, Brachen bebaut, der verfügbare öffentliche Raum immer weniger. Und wer jetzt weiter eine Bebauung des Tempelhofer Feldes fordert, ignoriert diesen Bedarf der Menschen in der Innenstadt an luftigem Freiraum. Berlin besteht eben nicht nur aus Backsteinen und Beton. Wo sollen denn die Menschen – übrigens nicht nur die jungen – noch hin, wenn nicht in die wenigen, aufgrund zunehmender Bevölkerung meist übernutzten Parks?

Der Politik ist dieser Mangel an Partyflächen sehr wohl bewusst, wie eine Initiative der BezirksbürgermeisterInnen von Pankow, Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf von Anfang Juni beweist. Sie forderten, öffentliche Flächen unbürokratisch für Kultur und Feten bereitzustellen. Passiert ist bisher wenig. Und so wird halt gefeiert, wo es geht. Andere fliegen freiwillig in Urlaub in offizielle Risikogebiete, mindestens toleriert von der Politik. Wo ist da der Unterschied?

Ganz abgesehen davon, dass die Polizeiselbst eingesteht, die vielfältige Open-Air-Feierei gar nicht kontrollieren zu können. Schließlich kommt auch die Empirie den Frischluftfeiernden entgegen: Bisher ist aus keinem der prognostizierten Berliner „Ischgls“ ein solches geworden: Weder der 1. Mai in Kreuzberg noch die unsägliche Bootsparty auf dem Landwehrkanal, noch die große Black-Lives-Matter-Demo am Alex entwickelten sich zu Superspreader-Events. Wir sollten statt zu zetern also lieber den Restsommer nutzen, um draußen zu sein, zu leben, das Leben toben zu lassen. Herbst und Winter dürften wegen Corona noch trister werden als sonst in Berlin. Bert Schulz

Wir sollten, statt zu zetern, lieber den Restsommer nutzen, um draußen zu sein, das Leben toben zu lassen. Herbst und Winter dürften wegen Corona noch trister werden als sonst in Berlin

Bert Schulz über den Unmut, den die illegalen Partys in der Hasenheide erregen