Opfer rechter Gewalt in Niedersachsen: Neues Beratungsnetzwerk

Niedersachsen hat ein neues Beratungsnetzwerk für Betroffene rechter Gewalt. Der Start war nicht problemlos, kritisiert die Vorgängerinitiative.

Hannover: Neonazis demonstrieren im November 2019 gegen Journalist:innen

Rechte Gewalt in Hannover: Neonazis demonstrieren im November 2019 gegen Journalist:innen Foto: dpa

BREMEN taz | Niedersachsen stellt seine Beratung für Betroffene rechter Gewalt neu auf. Zugunsten eines regionalisierten Beratungsnetzwerks – und weil man mit der Arbeit des Vorgängers RespAct in Hannover nicht zufrieden war – werden seit dem 3. Juli drei neue Vereine, verteilt im ganzen Bundesland, gefördert. Insgesamt 150.000 Euro stehen aus Mitteln des Bundes und des Landes für 2020 noch zur Verfügung, 50.000 Euro, und damit rund eineinhalb Stellen, pro Träger.

Der Verein Asyl e.V. in Hildesheim ist zuständig für Süd-Niedersachsen. Weil die beiden Mitarbeiter der Beratung noch anders beschäftigt waren, konnte man sich dort nicht auf die Arbeit vorbereiten, sagt einer der beiden Beschäftigten. Er möchte zum Schutz seiner Privatsphäre anonym bleiben.

Zwei weiße Männer mit deutscher Muttersprache beraten in Hildesheim. Das soll sich aber zugunsten von mehr Diversität noch ändern. „Wir wollen eine Frau dabei haben und eine Person, die man sichtbar Migrant*innen zuordnen würde“, sagt der Angestellte, der Sozial- und Religionspädagoge ist.

Die ersten Klient*innen seien bereits an das Team herangetragen worden. Hauptsächlich sei man aber damit beschäftigt, Kontakte herzustellen. „Es gibt etliche organisatorische Fragen, auf die wir noch keine Antwort haben.“ Inhaltlich sei die Aufgabe aber klar: den Betroffenen Solidarität vermitteln.

Seit Juli bilden drei Träger Niedersachsens neues Beratungsnetzwerk für Betroffene rechter Gewalt. Die Förderung der Vorgänger­organisation RespAct in Hannover wurde im Juni beendet.

Das Osnabrücker Zentrum für Geflüchtete, Exil e.V., ist für Nordwest-Niedersachsen zuständig.

Das Christliche Jugenddorfwerk CJD in Nienburg kümmert sich um die Region Nordost.

Asyl e.V. im Migrationszentrum Hildesheim wird im Süden des Landes Betroffene beraten.

Auch der Osnabrücker Verein Exil e.V. ist noch mit Netzwerkarbeit beschäftigt, plant Auftaktveranstaltungen in allen Landkreisen. Aber auch Fälle werden schon recherchiert. „Wir sind in erster Linie eine aufsuchende Beratung“, sagt Geschäftsführerin Sara Josef. Aus den Medien erfahre man von Betroffenen. „Wir fahren dann hin und fragen die zuständigen Behörden, wie die Polizei, ob sie direkt auf unser Angebot verweisen können“, so Josef. Beide bei Exil beratenden Personen – eine ist weiß, die andere nicht – hätten Erfahrungen mit rechter Gewalt.

Den Anfang der Arbeit „hätten sich alle anders gewünscht“, sagt Josef. Unter den gegebenen Umständen klappe es aber bestmöglich. RespAct habe bereits angeboten, die Kontaktdaten der neuen Träger an Betroffene weiter zu tragen. Auch Asyl e.V. beschreibt den Kontakt mit den Ex-Mitarbeitenden von RespAct als unterstützend.

In Nienburg, hier sitzt mit dem Christlichen Jugenddorfwerk der dritte Träger, habe man schon einen guten Zugang zum Thema und ein Netzwerk vor Ort, sagt Sven Kühtz. Er ist verantwortlich für den Jugendmigrationsdienst, wo das neue Projekt angebunden ist. Auch er empfindet den Übergang von einer zentralen­ Beratungsstelle zu drei regionalen Stellen als „holprig“. Um eine gemeinsame Ausrichtung zu finden, treffen sich die Beratenden in dieser Woche erstmals. Man wolle ein Konzept für die Öffentlichkeitsarbeit und für die Falldokumentation entwickeln.

Ende Juni hatte RespAct, die bisherige Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Niedersachsen, dicht gemacht. Nach drei Jahren Zusammenarbeit habe man „Defizite bei der Bereitstellung und Qualität von Beratungsangeboten sowie bei Standards, Verwaltungsabläu­fen, Mittelverwendung und Transparenz“ festgestellt, sagt Christian Lauenstein, Sprecher des Justizministeriums.

Der ausschlaggebendere Grund sei aber gewesen, die Beratung im Flächenland Niedersachsen künftig­ breiter aufstellen zu wollen. Lücken in der Beratung oder Kommu­nikation mit Betrof­fen habe es beim Übergang in die neue Struktur keine gegeben, sagt er.

Das sieht die ehemalige Projektleiterin von RespAct, die anonym bleiben möchte, anders. Man habe Klient*innen nicht weiterverweisen können, sagt sie. Obwohl die Entscheidung über neue Träger erst Ende Juni getroffen wurde, stimme das nicht, entgegnet Lauenstein: Bereits im März habe man die Stiftung Opferhilfe und das Landes-Demokratiezentrum als Übergangsangebote genannt. Mit den Büros der Opferhilfe war man in Kontakt, sagt wiederum­ die Ex-RespAct-Mitarbeiterin. „Aber nicht alle wollen zu einer Stelle, die beim Justizministerium angegliedert ist.“

Man habe bei der Opferhilfe vergeblich angefragt, ob diese schwarze Berater*innen übernehmen würde, die bei RespAct als Honorarkräfte gearbeitet hatten – für Klient*innen, mit denen kein Beratungsabschluss möglich war, sagt sie. „Es ist traurig, dass wir es nicht geschafft haben, eine Sensibilität dafür aufzubauen, dass die Positionierung von Berater*innen eine Rolle spielt.“ Aufgebautes Wissen und Vertrauen sowie geknüpfte Kontakte gingen so verloren.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.