Linke Kneipe soll geräumt werden: „Mehr Ärger als gedacht“

Am Freitag nächste Woche soll die Neuköllner Kiezkneipe Syndikat geräumt werden. Ein Interview mit dem Sprecher des Betreiber*innen-Kollektivs.

Aktivist*innen blockieren die Räumung des Kiezladen Friedel54 2017

Mittel der Wahl: Sitzblockaden bei der Räumung des Kiezladens Friedel54 im Sommer 2017 Foto: dpa

taz: Nach über 33 Jahren Kiezkneipe ist Freitag nächste Woche der Räumungstermin des Syndikats. Wie ist die Stimmung im Kollektiv?

Christian: Die Stimmung ist im Moment noch sehr kämpferisch. Aufgeben war für uns nie eine Option. Und wir hoffen, dass noch irgendwie ein Wunder geschieht und es weitergeht.

Christian will seinen Nachnamen nicht veröffentlicht wissen. Er ist 1979 in der Nähe von Köln geboren und dort auch aufgewachsen. Zum Zivildienst zog er nach Berlin und blieb hier für ein Soziologiestudium. Seit 12 Jahren ist er Teil des Betreiberkollektivs der Neuköllner Kneipe Syndikat.

Eigentlich war der Räumungstermin am 17. April, wurde aber wegen Corona verschoben. Wie habt ihr den Lockdown überstanden?

Das war natürlich äußerst deprimierend. Zum einen zu wissen, dass das Ende der Kneipe immer näher rückt. Es war relativ klar, dass, sobald sich die Corona-Lage wieder entspannt, auch die Räumung wieder ansteht. Zum anderen konnten wir nur hoffen, den Laden überhaupt noch mal aufmachen zu können. Im Moment sind wir in der Situation, dass wir nicht einmal eine Abschlussparty in der Kneipe feiern können. Wir machen, seitdem es wieder erlaubt ist, Verkauf an der Tür, und die Leute sitzen draußen an den Tischen. Es ist zwar sehr schön draußen, aber es ist nicht ganz das richtige Syndikat-Gefühl.

Gab es in der Zeit Verhandlungen mit dem Eigentümer Pears Global?

Es gab noch einmal ein Kaufangebot von einer mit uns befreundeten Firma, aber darauf gab es keinerlei Reaktionen von Pears. Die wollen einfach nicht reden.

Wie blickt ihr auf euren Kampf zurück? Seit der Kündigung sind fast zwei Jahre vergangen.

Ich glaube, dafür, dass wir nur eine kleine Kiezkneipe in Neukölln sind, haben wir schon relativ viel Aufmerksamkeit erzeugt. Nicht nur für uns, sondern auch für die Art und Weise, wie der Immobilienmarkt aufgebaut ist. Gerade dadurch, dass wir Pears Global aufgedeckt haben, haben wir sie in das „Deutsche Wohnen und Co. Enteignen“-Volksbegehren mit reingezogen. Die haben sich damit mehr Ärger eingefangen als gedacht.

Ihr habt am Abend vor der Räumung die „Lange Nacht der Weisestraße“ angekündigt. Wird versucht werden, die Räumung zu blockieren?

Wir haben eine Kundgebung angemeldet bis 10 Uhr am nächsten Morgen. Es wird Redebeiträge geben, Videoclips, vielleicht ein bisschen Musik. Aber was da noch passieren wird, hängt von den Leuten ab, die kommen werden. Ich hoffe nur, dass es viele werden, dass es bunt wird und der Kiez noch mal geschlossen zeigt, dass sie damit nicht einverstanden sind.

Am Samstag gibt es eine „interkiezionale“ Demo gegen Rassismus und Verdrängung, die sich auch gegen die Räumung des Syndikats richtet. Was ist noch so geplant in den nächsten Tagen?

Am Donnerstag gibt es eine Videokundgebung vom Bündnis Zwangsräumung Verhindern vor unserer Tür. Dazu organisieren sie am Sonntag auch ein Blockade-Training auf dem Tempelhofer Feld. Am Freitag gibt es eine Musikkundgebung, die von uns organisiert wird. Am Tag nach der angesetzten Räumung wäre eigentlich das Weisestraßenfest, jetzt gibt es halt die Musikkundgebung. Dort wollen wir noch mal zeigen, was wir uns unter Kiezkultur vorstellen.

Sollte die Räumung durchgezogen werden, gibt es schon Pläne für eine Zeit nach dem Syndikat?

Wir haben schon überall rumgefragt, aber es gibt einfach keine Räumlichkeiten im Kiez oder der Umgebung. Insofern wird es in kurzfristiger Zeit kein neues Syndikat geben. Aber vielleicht wird nach dem gewonnenen Volksentscheid von Deutsche Wohnen und Co. Enteignen das Gebäude wieder rekommunalisiert, dann könnten wir sogar am alten Ort wiederauferstehen.

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