„Wir brauchen jetzt Klima-Kompromisse“

KLIMAKONFERENZ DER UNO Germanwatch-Experte Bals fordert Kompromissvorschläge für den Klimaschutz, die Industrie- und Entwicklungsländer mittragen können. Probleme bereiten die USA und die Erdöl-Staaten

■ ist Geschäftsführer von Germanwatch. Derzeit beobachtet er die UN-Klimaverhandlungen für ein Post-Kioto-Abkommen, die auf einer Vorbereitungskonferenz in Bangkok aus der Blockade gerissen werden sollen.

taz: Herr Bals, die Klimakonferenz im Dezember in Kopenhagen ist die letzte Chance für ein weltweit gültiges Klimaschutzabkommen. Sie sind zurzeit Beobachter der Kopenhagen-Vorbereitungskonferenz in Bangkok. Worum geht es dort?

Christoph Bals: Es geht darum, Dynamik in die Verhandlungen zu bringen. In den letzten drei Vorbereitungskonferenzen wurde Stillstand zelebriert: Jeder wollte seine in den Verhandlungstext eingebrachte Position verteidigen. In Bangkok müssen sich die Delegierten auf ein Verfahren einigen, um den mehr als 200-seitigen Vertragstext zu straffen, damit spätestens bei der nächsten Vorbereitungskonferenz in Barcelona ein Abkommen erkennbar wird.

Das G-20-Treffen in Pittsburgh brachte keine Impulse. Können die Verhandlungen so vorwärtskommen?

Der G-20-Gipfel war ein regelrechter Rohrkrepierer für den Klimaschutz. Anders aber das Treffen der Staats- und Regierungschefs in New York: Vor allem China und Indien haben hier starke Signale für ein Abkommen in Kopenhagen gegeben. Auch Japan ist mit der Erhöhung seines Reduktionsziels auf 25 Prozent bis 2020 gegenüber 1990 positiv vorgeprescht. Aber Fakt ist: Ohne Impulse durch die Staats- und Regierungschefs und ein erweitertes Mandat für die Verhandler hier vor Ort wird kein Abkommen zu treffen sein.

Zurück zum Parkett in Bangkok: Wer sind die Bremser?

Ein großer Problemfall sind die USA, die derzeit strategielos auftreten. Sie müssen erst auf das Klimagesetz aus dem Senat warten, um wirklich verhandlungsfähig zu sein. Und ein von Saudi-Arabien angefachtes Störfeuer geben die erdölfördernden Staaten ab: Sie haben sich mit Algerien und dem Sudan eine Führungsrolle in der G 77 gesichert. Die Europäische Union übernimmt angesichts dieser Lage leider nicht die Führungsrolle, die notwendig wäre.

In Bangkok sollen Zahlen auf den Tisch: sowohl für die Finanzströme Richtung Süden als auch für die Reduktionsziele des Nordens. Wie steht es?

Leider liegen nach wie vor keine klaren Zahlen vor. Das ist neben dem Sonderproblemfall USA und der Blockade der Ölstaaten eines der größten strukturellen Hindernisse des Verhandlungsprozesses. Viele Vertreter von Schwellen- und Entwicklungsländern sagen: Wenn ihr euch nicht bewegt, könnt ihr das von uns auch nicht erwarten.

Die Weltbank stellte in Bangkok eine Studie vor, nach der der Süden 75 bis 100 Milliarden Dollar jährlich braucht, um sich an die Erderwärmung anzupassen. Wie wird die Zahl von den Verhandlern diskutiert?

Zum einen dürfte die nötige Summe noch deutlich höher sein. Zum anderen ist das eine Frage der Rechnung: Wenn ein Großteil der Gelder aus dem Emissionshandel generiert werden soll, wird dadurch ja nicht mehr für den Klimaschutz getan, sondern die Kohlendioxid-Einsparungen werden nur verlagert. Außerdem soll ein Teil des Geldes auf die Entwicklungshilfe angerechnet werden. Es wird also in mehrfacher Hinsicht schöngerechnet.

Die Zeit wird knapp: Wie müssen die Etappenziele in Bangkok aussehen, damit Kopenhagen ein Erfolg wird?

Wer verhindern will, dass Kopenhagen zur Sterbehilfe für die Eispanzer auf Grönland und im Himalaja wird, der muss jetzt Kompromissvorschläge vorlegen – Kompromisse zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern. Zugleich müssen die Regierungschefs deutlich machen, dass sie wirklich ein ambitioniertes Abkommen wollen. Ich bin gespannt, welche Signale da die neue deutsche Regierung senden wird. INTERVIEW: SARAH MESSINA