Nur eine „Chance auf Vergessenwerden“

Das „Manager-Magazin“ durfte den Täuschungsversuch eines Unternehmers beim Staatsexamen erwähnen. Das Presserecht überwiegt, sagt das Bundesverfassungsgericht

Aus Karlsruhe Christian Rath

Medien dürfen grundsätzlich über Jugendverfehlungen von Prominenten berichten. Auch nach Jahrzehnten gebe es kein schematisches „Recht auf Vergessenwerden“. So entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht im Fall des Unternehmers Ulrich Marseille.

Das Manager-Magazin hatte 2011 ein Portrait Marseilles veröffentlicht. Dieser war damals Chef der Marseille-Kliniken AG. Die Autoren des Texts thematisierten, dass Marseille 1984 im juristischen Staatsexamen bei einem Täuschungsversuch ertappt wurde. Auf Klage von Marseille untersagte das Oberlandesgericht Hamburg dem Manager-Magazin, den lange zurückliegenden Vorfall weiter zu erwähnen.

Dieses Verbot hob das Bundesverfassungsgericht auf Klage des Manager-Magazins nun wieder auf. Der Unternehmer müsse im Rahmen eines kritischen Portraits auch die Erwähnung seines lange zurückliegenden Täuschungsversuchs dulden. Es gebe zwar eine „Chance auf Vergessenwerden“, so die Verfassungsrichter. Bei einer Abwägung überwiege hier allerdings das Recht der Presse, wahrheitsgemäß zu berichten. Schließlich sei Marseille stets öffentlich tätig gewesen.

Dafür führt das Gericht eine ganze Reihe von Beispielen an: So habe das Unternehmen „Marseille-Kliniken AG“ seinen Namen getragen. 2003 habe sich Marseille auch als Spitzenkandidat der rechtspopulistischen Schill-Partei in Sachsen-Anhalt politisch exponiert. Neue Aktualität habe der alte Vorfall erhalten, weil Marseille kurz vor dem Bericht im Manager-Magazin verurteilt worden war: Er hatte eine Krankenkassengutachterin bestochen.