Mögliche Annexion im Westjordanland: Bundestag will warnen

Der Bundestag plant, Israels Annexionspläne zu kritisieren. In einem Antragsentwurf ist überraschend nicht mehr die Rede von den Grenzen von 1967.

In der Sonnenbrille eines Soldaten spiegeln sich palästinensiche Demonstranten

Im Visier: Israelischer Soldat beobachtet palästinensische DemonstrantInnen im Westjordanland Foto: Mohamad Torokman/reuters

BERLIN taz | Wenige Tage bevor Israel möglicherweise erste Schritte für eine international umstrittene Annexion palästinensischer Gebiete einleitet, bereiten deutsche AußenpolitikerInnen eine Verurteilung der Pläne durch den Bundestag vor. Geplant ist eine „dringliche Forderung“ des deutschen Bundestags an die israelische Regierung, von dem angekündigten Schritt doch noch abzusehen.

Der Bundestag solle die Bundesregierung auffordern, „unsere vorhandenen Sorgen (...) zum Ausdruck zu bringen“ und der Forderung Nachdruck zu verleihen, „von einer Annexion von Teilen des Westjordanlandes (...) abzusehen.“ Dies stünde im Widerspruch zu internationalem Recht, heißt es in einem Antragsentwurf von Union, SPD und FDP, der der taz vorliegt. Die VerfasserInnen warnen vor „erheblichen Auswirkungen auf den Friedensprozess des Nahen Ostens und die regionale Stabilität“.

Der Bundestag berät am kommenden Mittwoch über den Nahostkonflikt und wird die Kritik an den Annexionsplänen voraussichtlich im Anschluss beschließen. Ebenfalls ab Mittwoch kann die israelische Regierung unter Benjamin Netanjahu laut Koalitionsvertrag den Annexionsprozess in Gang setzen. Welche Gebiete genau zu israelischem Staatsgebiet erklärt werden sollen, ist bislang allerdings nicht bekannt. Zur Debatte stehen einzelne Siedlungsblöcke bis hin zu etwa dreißig Prozent des Westjordanlands, einschließlich des Jordantals.

Zwei Punkte in dem Antrag stechen ins Auge: Diskussionen über wirtschaftliche Strafmaßnahmen gegen Israel lehnen die AußenpolitikerInnen explizit ab. Gegen Sanktionen solle sich die Bundesregierung auch innerhalb der EU einsetzen, heißt es. Zuvor hatte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn indirekt Wirtschaftssanktionen ins Spiel gebracht, indem er die israelischen Annexionspläne mit der Annexion der Krim durch Russland 2014 verglich.

Zum anderen werden überraschend die Grenzen von 1967, die allgemein als Verhandlungsgrundlage für eine Zweistaatenlösung des Israel-Palästina-Konflikts gelten, in dem Antrag nicht erwähnt. Von dem „Ziel der verhandelten Zweistaatenlösung“ ist aber die Rede.

Die US-Regierung hatte im Januar einen einseitig mit der israelischen Regierung abgestimmten Nahostplan vorgelegt, der große Teile des Westjordanlands für Israel vorsieht und die PalästinenserInnen mit anderen Gebieten entschädigt, von den Grenzen von 1967 also deutlich abweicht. Der Plan gilt als Grundlage für die angekündigte unilaterale Annexion.

Kritik von den Grünen

Der Antrag muss noch von den Fraktionen gebilligt werden, bevor ihn der Bundestag am Mittwoch verabschieden kann. Anders als die FDP wollen die Grünen den Beschluss nicht unterstützen. Sie werden voraussichtlich einen eigenen Antrag einbringen, in dem die Grenzen von 1967 explizit erwähnt werden.

„Es ist sehr bedauerlich, dass wir kein gemeinsames Signal schicken können“, sagte der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour der taz. Zwar würde man die Sorgen über die Annexionspläne fraktionsübergreifend teilen, aber bei den Grenzen von 1967 sei man nicht übereingekommen.

„Die Erwähnung sollte eine Selbstverständlichkeit sein, die Grenzen wurden von der internationalen Gemeinschaft stets erwähnt“, so Nouripour. „Dabei geht es nicht um feste Grenzen, aber es muss klar sein, dass die Grenzen von 1967 die Grundlage einer verhandelten Friedenslösung sind.“

Besondere Rolle Deutschlands

Die Linken waren in die Antragsberatungen nicht einbezogen. Außenpolitiker der Partei planen ebenfalls, einen eigenen Antrag einzubringen. Der Parteivorstand der Linken hatte im Juni einen deutlich schärfer formulierten Beschluss gefasst.

Er fordert, das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Israel im Falle einer Annexion auszusetzen und „die militärische Kooperation mit Israel“ einzustellen. Weiter heißt es: „Verweigert die israelische Regierung eine gerechte Zweistaatenlösung, in denen jeweils gleichberechtigte Bürger leben, so fordert die Linke gleiche Bürgerrechte für Palästinenser und Israelis.“

Am kommenden Mittwoch übernimmt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft sowie den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat. Damit kommt der Bundesregierung eine besondere Rolle zu in möglichen Diskussionen darüber, wie die EU und die Vereinten Nationen auf die geplante Annexion reagieren sollen.

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