Bundesregierung und Wirecard: Für die Kanzlerin zu unbedeutend

Die Grünen raunen von Verstrickungen. Tatsächlich war Wirecard selbst als DAX-Konzern zu unwichtig, um sich der Förderung durchs Kanzleramt zu erfreuen.

Angela Merkel und Theodor zu Guttenberg besprechen sich

Auch wenn es für manche so aussehen mag: Wichtig war die von zu Guttenberg protegierte Firma nie Foto: dpa

Man muss es Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg lassen: Er hat einen sicheren Instinkt dafür, sich lächerlich zu machen. Denn seine Beratungsfirma ist mit der Pleitefirma Wirecard verstrickt. Guttenberg sollte für den DAX-Konzern die Türen nach China öffnen und er schaffte es sogar, im September 2019 einen Termin bei der Kanzlerin zu ergattern – kurz bevor Merkel zu einer Reise nach Ostasien aufbrach. Hinterher meldete das Kanzleramt an Guttenberg, dass Wirecard „bei dem Besuch in China zur Sprache gekommen“ sei.

Guttenbergs Wirecard-Diplomatie wurde nun durch den Spiegel bekannt, und die Opposition ist begeistert. Die Grünen raunen, die Bundesregierung dürfe nicht „scheibchenweise“ mit der Wahrheit herausrücken. Es müsse „alles schnellstmöglich aufgeklärt werden“. Man suggeriert also, die Regierung hätte die betrügerischen Aktivitäten von Wirecard bewusst gefördert.

Keine Frage: Es ist ein Skandal, dass bei Wirecard 1,9 Milliarden Euro verschwunden sind. Trotzdem wäre es absurd, sich ausgerechnet mit Merkels Chinareise zu befassen, um das System Wirecard zu ergründen.

Merkel ist nämlich sehr oft nach China gefahren – um Werbung für die deutsche Wirtschaft zu machen. Auch im September 2019 waren diverse Konzernchefs dabei: ob von der Allianz, Siemens, Airbus oder der deutschen Post. Elf Verträge wurden damals abgeschlossen, um deutschen Firmen neue Möglichkeiten in China zu eröffnen.

So langweilig es ist: Politisch stellt sich bei Wirecard nur eine Frage – wie man derartige Betrugsfälle künftig verhindern kann

Dies bedeutet: Selbst als DAX-Konzern war Wirecard zu unwichtig, um sich spezialler Förderung durch das Kanzleramt zu erfreuen. Die Chefs durften nicht mit nach China fliegen – und sie brauchten Mittelsmänner wie Guttenberg, um an die Kanzlerin heranzukommen.

So langweilig es ist: Politisch stellt sich bei Wirecard nur eine Frage – wie man derartige Betrugsfälle künftig verhindern kann. Denn nicht die Regierung hat versagt, sondern die Bankenaufsicht Bafin und die Wirtschaftsprüfer von EY.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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