Insolvenz von Wirecard: Die Regierung trifft keine Schuld

Im Wirecard-Skandal verhalten sich Linke und Grüne, als gelte es, ein Tribunal abzuhalten. Sie zeigen auf die Regierung statt auf Wirtschaftsprüfer.

Kreditkarte von wirecard

Ernst & Young hätte checken müssen, ob es die 1,9 Milliarden Euro auf den Konten wirklich gibt Foto: Sven Hoppe/dpa

Am Wirecard-Skandal erstaunt am meisten, dass der Betrug nicht viel früher aufgeflogen ist. Denn eigentlich war er leicht zu entdecken. Die Wirecard-Manager haben einfach fiktive Vermögen erfunden, um Verluste zu kaschieren und echtes Geld auf ihre Privatkonten umzuleiten. Am Ende beliefen sich die Luftbuchungen auf 1,9 Milliarden Euro, die angeblich auf ausländischen Konten lagern sollten.

Die Wirtschaftsprüfer von EY, die zehn Jahre lang die Wirecard-Bilanzen kontrolliert haben, hätten also nur checken müssen, ob es dieses Geld auf diesen Konten wirklich gibt – indem sie, beispielsweise, Überweisungen auf EY-Konten veranlassen. Zur Probe. Wenn kein Geld fließt, wäre klar gewesen, dass Wirecard gar kein Vermögen hat. Doch EY hat lieber alle Hühneraugen zugedrückt, um den lukrativen Prüfauftrag bei Wirecard nicht zu verlieren. Es ist nicht harmlos, wenn die Wirtschaftsprüfer versagen.

Denn auf die testierten Bilanzen verlassen sich alle – von den Anlegern und Banken bis zur Finanzaufsicht Bafin. Doch das Versagen der Wirtschaftsprüfer spielt kaum eine Rolle. Für die Opposition im Bundestag ist es interessanter, die Schuld bei der Regierung zu suchen. Es wird der Eindruck erzeugt, als wären Finanzminister Olaf Scholz oder Kanzlerin Angela Merkel die eigentlichen Wirtschaftsprüfer der Nation – als müssten sie sich darum kümmern, was sich in den Bilanzen von DAX-Unternehmen abspielt.

Es ist absurd. Linke und Grüne führen sich auf, als ginge es darum, ein Tribunal abzuhalten. Für den 29. Juli ist eine Sondersitzung des Finanzausschusses geplant, und wahrscheinlich droht auch noch ein Untersuchungsausschuss. Gegen einen Untersuchungsausschuss ist nichts zu sagen – wenn er die richtigen Fragen stellt. Aber Linke und Grüne benehmen sich, als wären sie Neoliberale.

Nach der Finanzkrise 2008 ist es den Neoliberalen gelungen, die Rettung der privaten Banken in eine „Staatsschuldenkrise“ umzudeuten. In ähnlicher Weise tun nun auch Linke und Grüne so, als wäre der Betrug bei Wirecard in Wahrheit die Schuld der Bundesregierung.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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