Erfreulich frische Leichtigkeit

46 Werke von 24 Künstler*innen zeigt der Bildhauer und Fotograf Thomas Demand in der von ihm kuratierten Schau namens „Local Talent“. Die Arbeiten kommen klimafreundlich aus Berlin, von Künstler*innen aus aller Welt

Omer Fast: „Beckmann’s Rope“ (2020), Video auf Mobiltelefon in der Schau „Local Talent“ Foto: Timo Ohler/Sprüth Magers, Berlin

Von Brigitte Werneburg

Evoziert nicht mancher E-Gitarrenriff das Bild einer grundlos hochfahrenden Stahlwand? Und klingt dann nicht auch „Why hold on to that?“ (2018), der Titel, unter dem Thea Djordjadze diese imaginäre Stahlwand als reales Objekt an die Längsseite der großen Ausstellungshalle bei Sprüth Magers vor uns hinstellt – als monumentalen viereinhalb Metern hohen und zehn Meter langen Aluminiumparavent – wie ein Song­titel? Ja doch, auch vermeintlich stumme Objekte und Bilder haben insgeheim einen Sound, den man zu hören glaubt.

Das heimelige Licht einer Glühbirne, das Manfred Pernices Installation „Strandgut III“ (2020) aus Holzlatten und Pappeplatten mit sich bringt, ließe sich als feines, melodisches Solo einer Akustikgitarre deuten. Der Song, der sich darüber legt, heißt „Another World Is Possible“ (2019) und imaginiert jetzt wohl ganz bescheiden eine Welt ohne Sars-CoV-2.

Angekündigt wird er von Sam Durant, dessen blau beschrifteter und blau strahlender Leuchtkasten hoch oben an der Stirnwand der Halle hängt. Ihm antwortet Andreas Slominski, der gegenüber der Wand in einer Glasvitrine auf schlanken Stahlbeinen die Papiermarke ausstellt, mit der Bäckereien ihr Brot labeln: „Ich esse kein Papier“ (2020). So sieht es aus, wenn man zu Hause bleiben muss; vielleicht aber auch darf, weil man nun, von anderen aushäusigen Verpflichtungen befreit, endlich zum Arbeiten kommt.

Insgesamt 46 Werke von 24 Künst­le­r*innen zeigt der Bildhauer und Fotograf Thomas Demand in der Rolle des Ausstellungsmachers in seiner Stammgalerie. Das Besondere: Alle Arbeiten kommen aus Berlin und wurden also sehr klimafreundlich nur innerhalb der Stadt bewegt. Insofern referiert der Ausstellungstitel „Local Talent“ auf einen bloßen Fakt. Gleichzeitig kommen die Au­to­r*in­nen der Arbeiten aber aus aller Welt, es handelt sich bei ihnen allesamt um international renommierte Künstler und Künstlerinnen – und so hat der Ausstellungstitel auch seine ganz eigene Ironie.

Thomas Demand ist aus Los Angeles nach Berlin zurückgezogen, in die Stadt, der zurzeit der Niedergang prophezeit wird, was ihre bislang so gerühmte Rolle in der zeitgenössischen Kunst angeht. Thomas Demand sieht das ein wenig anders und tritt mit seiner Sommerausstellung bei Sprüth Magers den Beweis an, dass Berlin als Kunststadt noch immer punkten kann. Der Clou dabei: Dank der verschobenen und abgesagten Ausstellungen kann er teils die aktuellsten Arbeiten seiner Kollegen und Kolleginnen zeigen, die sonst längst schon im Ausland ihre Premiere hätten wie Ólafur Elíassons neuseeländische Leuchtturmlampe „Your Lost Lighthouse“ (2020).

Ja, die Schau ist auf dem Quivive: Corinne Wasmuhts „DJ ZV (1) titanum dioxide“ aus diesem Jahr (2020) fasziniert erneut mit der vielfachen Überlagerung von Bildmotiven, Fotografien, die die Künstlerin ab- und übereinandermalt, wobei sich an der ein oder anderen Stelle erzählerische Momente auftun, die hier jetzt als die Abflughalle eines Flughafens zu entschlüsseln sind, die sich im All-Over des Gemäldes nun sehr sinnfällig in der Abstraktion auflöst. Tatsächlich ist der thematische rote Faden, der die Arbeiten verbindet, ihre Aktualität oder auch ihre wiedererlangte Aktualität; sonst wüsste man jedenfalls keinen zu benennen.

Das insgeheime Thema

Das freilich gibt dem Rundgang einen deutlich spielerischen Akzent, eine begrüßenswerte, frische Leichtigkeit, etwas Hingeworfenes à la Jason Dodges’ Bodenschüttung mit Blättern, Blüten, Münzen, Elektrokabeln, Gabeln, Einmachgläsern und was noch alles.

Apropos Blätter und Blüten: Sie könnten dann doch ein insgeheimes Thema der Ausstellung sein. Da sind etwa Ketuta Alexi-Meskhishvilis fototechnisch entstandene „Blue Rose Aldi Tüte“ (2020), Tacita Deans Gouachen der erst vom Wind verformten und dann von ihr gespiegelt gemalten Bäume wie „A Rakish Pair“ (2020), Thomas Demands Abreißkalender „Daily Flower Report“ (2020) oder Thomas Struths im Verblühen begriffener „Orientalischer Mohn“ (2020).

Bis 22. August, Galerie Sprüth Magers, Oranienburger Straße 18, Di.–Sa. 11–18 Uhr, Besuch nur mit Onlinebuchung vorab