heute in bremen
: „Viele haben ihre Stellen reduziert“

Foto: privat

Ariane Müller

65, Krankenschwester am Klinikum Bremen-Mitte und Sprecherin des Bündnisses für mehr Personal im Krankenhaus.

Interview Lotta Drügemöller

taz: Frau Müller, Sie demonstrieren heute vor dem Klinikum Mitte. Dabei sind Pflegekräfte jetzt doch Held*innen, freut Sie das nicht?

Ariane Müller: Wenn es so wäre. Wir sind angebliche Helden. Am Anfang der Coronapandemie wurde oft gesagt, dass wir systemrelevant sind. Von der Politik gab es dann das Versprechen, dass alle Pflegekräfte 1.500 Euro kriegen.

Klingt gar nicht so schlecht.

Es wäre keine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, aber eine kleine Wertschätzung für unsere systemrelevante Arbeit. In Wirklichkeit gibt es das Geld aber gar nicht für alle. Nur Altenpfleger*innen bekommen den Bonus. Wir fordern die 1.500 Euro für alle Krankenhausbeschäftigten, auch für das Reinigungspersonal.

In vielen Krankenhäusern wurden zuletzt weniger Fälle behandelt, weil OPs verschoben wurden. Warum brauchen Sie also einen Zuschlag?

Der Stress war größer als sonst, das ganze System musste sich umstellen. Wer zwischen den Stationen wechselte, musste sich ständig umziehen. Unter den Schutzkitteln schwitzt man fürchterlich, das Arbeiten damit ist eine Qual. Und viele Coronafälle hatten eine Eins-zu-eins-Betreuung, für die anderen Patient*innen waren dann weniger Pflegekräfte zuständig.

Ist jetzt alles wieder besser?

Jetzt haben wir mehr Patienten als sonst, weil die kommen, deren Operationen verschoben wurden. Schlimmer ist aber, dass die Personaluntergrenzen immer noch nicht gelten. Die wurden während der Krise aufgehoben, bis zum Ende des Jahres. Normalerweise sollen auf der Intensivstation tagsüber 2,5 Patienten auf eine Pflegekraft kommen. Das ist schon zu viel. Jetzt gerade kommen auf unserer Station manchmal bis zu vier auf eine Pflegekraft.

Kundgebung für mehr Personal und mehr Geld für die Beschäftigten in den Krankenhäusern und in der Altenpflege: 14 Uhr vor der Kinderklinik am Klinikum Bremen-Mitte

Reicht es, wenn Sie sich mit Ihrer Forderung nach einmalig 1.500 Euro durchsetzen?

Die Gewerkschaft fordert natürlich noch mehr: Dauerhaft muss der Lohn um 500 Euro angehoben werden. Außerdem wollen wir eine angemessene Infektionszulage, und vor allem bessere Arbeitsbedingungen auf den Stationen. Dafür braucht es eine bedarfsgerechte gesetzliche Personalbemessung.

Wo soll das Personal herkommen?

Das ist es: Es gibt nicht genug. Viele haben in den letzten zehn Jahren aufgehört oder ihre Stelle reduziert, weil die Lage so schlimm ist. Es sollte also im Sinne der Arbeitgeber sein, die Bedingungen zu verbessern. Aber bisher bieten die kommunalen Arbeitgeber null Prozent mehr. Null – das macht die Leute total wütend.