Kaum Hoffnung auf Einreise

Wie raus aus den Inselcamps? Deutschland nimmt kaum auf, selbst jene nicht, die Verwandte hier haben

Auch wenn die griechische Regierung inzwischen verstärkt Flüchtlinge von den Inseln aufs Festland bringen lässt, sind die Inselcamps weiter hoffnungslos überfüllt. Im größten Lager Moria auf Lesbos, das für 3.000 Menschen ausgerichtet ist, sollen sich derzeit rund 15.000 befinden, zeitweise waren es über 20.000. Nach Aussage von Berliner Hilfsorganisationen, die auf den Inseln aktiv sind, machen sich derzeit wieder vermehrt Geflüchtete illegal über die „Balkanroute“ auf den Weg nach Deutschland.

Wegen der anhaltenden Kritik an den Zuständen hatte sich die Bundesregierung im Juni bereit erklärt, knapp 1.000 Geflüchtete aus Griechenland aufzunehmen. 150 davon nimmt Berlin auf, ab dem 24. Juli sollen die Ersten kommen und zunächst am Rande des Tempelhofer Feldes untergebracht werden. Darüber hinaus hat Berlin ein eigenes Landesaufnahmeprogramm für Menschen von den Inseln aufgelegt, über das noch einmal 300 Menschen kommen sollen. Allerdings verweigert der Bundesinnenminister dafür seine Zustimmung. Im Mai hatte Deutschland schon einmal 45 Kinder und Jugendliche von den Inseln aufgenommen, 8 davon kamen nach Berlin.

Flüchtlingsorganisationen kritisierten damals, dass die meisten dieser Kinder ohnehin ein Recht gehabt hätten, nach Deutschland einzureisen, weil sie hier Verwandte haben. Der Flüchtlingsrat fordert seither, über Aufnahmeprogramme vor allem solche Geflüchteten nach Berlin zu holen, die nicht schon laut Dublin-Verordnung ein Recht darauf haben.

Allerdings ist es auch für Geflüchtete mit Verwandtschaft in Deutschland nur sehr schwer möglich, zur Durchführung ihres Asylverfahrens hierherzukommen. Wie das Bundesinnenministerium auf eine schriftliche Anfrage der Bundestagsabgeordneten Gökay Akbulut (Linkspartei) kürzlich mitteilte, hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) von Januar bis zum 11. Mai 2020 632 Anträge aus Griechenland bekommen – und davon 523 abgelehnt. Die Ablehnungsquote beträgt damit knapp 83 Prozent, ein Jahr zuvor waren es 75 Prozent. Wie viele dieser Fälle einen Bezug nach Berlin, sprich: zu hiesiger Verwandtschaft, haben, ist nicht festzustellen. Das Bamf erklärt auf Anfrage, die Daten würden nicht nach Bundesländern unterschieden.

Verzögerungstaktik?

Der Flüchtlingsrat hat kürzlich ein paar Fälle mit Berlin-Bezug vorgestellt, darunter den von Frau A. in Berlin und ihrem Vater Herr B. in Moria (siehe Interview).

Unverständlich scheint auch der Fall von Ahmed* (19) in Berlin und seinem Bruder Omar* (17) auf der Insel Samos. Obwohl laut Artikel 8 der Dublin-Verordnung für minderjährige Antragsteller das EU-Land zuständig ist, in dem sich volljährige Verwandte aufhalten, lehnte das Bamf den Fall laut Flüchtlingsrat ab. Die Brüder vermuten, dass das Amt abwarten will, bis Omar volljährig ist. Dann wäre die Familienzusammenführung noch schwieriger. Die NGO Equal Rights Beyond Borders will laut Flüchtlingsrat Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen. (sum) *Namen geändert