Na dann,Prost!

Manche Getränke schmecken nur im Sommer richtig gut. Vier Tipps von Redakteurinnen – aber bitte mit Eis

Sommer im Glas Foto: Ilka&Franz/getty

Hopsend, ohne Hangover

Im Sommer lockt meine Cousine gelegentlich mit den Worten „Es gibt auch Lillet“ zu den Familienfesten. Nicht, dass man mich überhaupt locken müsste, und natürlich käme ich auch für ein lecker Pilsken angereist, aber in den Worten, dasses „auch Lillet“ gibt,schwingt nun mal mit, dass diese Feier ein bisschen größer, ein bisschen heftiger, ein bisschen länger dauern wird. Das ist etwas Schönes, und drum verbinde ich mit Lillet auch nur schöne Sommernachmittage, die unbemerkt in Nächte rutschen.

Meine Cousine meint übrigens: Es gibt Lillet Wild Berry. Aber weil wir immer nur den trinken, müssen wir das nicht konkretisieren. Meistens empfängt mich dann schon einer, wenn ich gerade durch die Tür getreten bin. Serviert in einem Weinglas schaukelt er hin und her, in diesem Fall weiß-klarer Lillet, lila-rosa durchsprenkelt von Schweppes Russian Wild Berry, aber andere Marken würden es wohl auch tun. Auf seiner Oberfläche hopsen kleine Beeren, Heidelbeeren, dunkle Jo­hannisbeeren, auch mal Brombeeren, aber die schwimmen eher. Ein paar tauchen gelegentlich schon mal hinab zwischen die Eiswürfel.

Das schmeckt, oh ja, und wie. Fruchtig, süß, aber keineswegs zu sehr, denn gleichzeitig hockt sich ein herber Ton unbemerkt dazu. Es erfrischt und beschwipst auf eine angenehme, unaufdringliche Weise. Hopsend, ohne Hangover. Das ist schlicht, wie wir im Ruhrgebiet es mögen, und doch etwas Besonderes. Was auch erklärt, warum es gerade einen regelrechten deutschlandweiten Hype um dieses Gemisch gibt und nicht nur lillet-launige Sommernächte in Bottrop. Hanna Voß

Holla, Hollunder!

Irgendwann im Mai ist es so weit: Der Mann bekommt seinen Holunderblütenrappel. Dann nimmt er die Kinder und sammelt mit ihnen so viele der handtellergroßen weißlichen Blütenstände, wie sie finden können. Die Sträucher auszumachen, ist nicht schwer. Holunder, auch Holler genannt, wächst eigentlich fast überall, am Seeufer, am Waldrand, in Parks. Man muss nur zugreifen.

Es folgt eine etwas aufwendige Prozedur. Eingeweicht, gekocht, gesiebt und pro Liter mit etwas Zitronensaft und einem Kilo (!) Zucker versetzt, ergeben die Blüten einen blassgelblichen, trüben Sirup. Und weil das Sammeln so viel Spaß macht und die Blüten auch nicht umsonst gepflückt sein sollen, stehen am Ende acht große Flaschen in unserer verklebten Küche. Die Nachbarn gegenüber nehmen gern etwas ab: Verdünnt mit Sprudel schmeckt der Sirup, als würde man mitten durch einen prächtig blühenden Busch laufen, nur süßer.

Aber mit den Holunderblüten ist es wie mit dem Spargel: Ihr Reiz liegt zum guten Teil darin, dass es sie nur eine Zeitlang gibt. Der Holunder verblüht im Juni. Spätestens im Laufe des Julis reicht es auch wieder mit dem blumig parfümierten Geschmack im Getränk. Dann ist es gut, viele Nachbarn zu haben.

Antje Lang-Lendorff

Schmeckt auch am Baggersee

Igitt, das kann man doch nicht trinken“, ist meist die erste Reaktion, wenn ich von meinem liebsten Sommergetränk Campari-Tonic erzähle. Ich bin eher abfällige Bemerkungen gewohnt, ich komme aus Hannover und habe viele Urlaube auf der Ballermann-Insel Mallorca verbracht. Es ist wirklich kein Geschenk, in einer Stadt geboren zu sein, die Lena Meyer-Landrut und Carsten Maschmeyer hervorgebracht hat. Anyway: Auf Malle und Campari-Tonic lasse ich nix kommen!

Ich habe das Getränk im Alter von sechs Jahren für mich entdeckt, während eines sogenannten Dämmerstündchens auf dem Balkon der Ferienwohnung meiner Großmutter, mit Blick auf zwei pittoreske, mit Möwenscheiße übersäte Inseln im Mittelmeer. Dort saß ich mit meinen drei Geschwistern, meiner Mutter, die Mami genannt werden wollte, weil „Mama“ ihr zu gewöhnlich klang, und meiner Großmutter, die „Mutter“ genannt werden wollte, weil „Oma“ sie so alt machte.

Meine beiden geliebten Mütter legten viel Wert auf Manieren, und so kam es, dass wir Kinder mit geradem Rücken und spitzen Fingern einen Kartoffelchips nach dem nächsten nahmen, die meine Großmutter „zur Appetitanregung“ in einer kleinen Schale auf den Tisch gestellt hatte. Ein allabendliches Ritual, bei dem wir Kinder an winzigen, mit Sprite gefüllten Gläsern nippten, während sich unsere Mütter aus üppigen Kelchen den Campari-Tonic schmecken ließen.

Bei so einer Zusammenkunft habe ich – soweit ich mich erinnere – das erste Mal von dem verheißungsvoll rubinrot schimmernden Getränk gekostet. Genauer gesagt, den rosarot gefärbten Eiswasserrest einer der Mütter ausgeschlürft, nachdem ich den beiden vorher vermutlich eine Ewigkeit in den Ohren gelegen hatte.

Und schmeckte es mir? I wo! Viel zu würzig, kräutrig und bitter. Doch mit dem Alter änderte sich das. Heute rede, lache und streite ich nicht nur wie Mutter 1 und Mutter 2, ich trinke auch ebenso gern Campari-Tonic. In einem Longdrinkglas mit zwei Zentilitern Campari, Tonic Water, Eis und einer Scheibe Orange stellt sich das Malle-Feeling auch am Baggersee ein. Anna Fastabend

Flüssige Kinderknete

Es knallt. Erst mal farblich – fließender Übergang zwischen knall­orangener Flüssigkeit in der Flasche und knallorangenem Etikett auf der Flasche. Und geschmacklich sowieso. Extrem ausbalanciert in seiner Gesamtwirkung, die mit „fruchtig-herb“ hinreichend beschrieben ist, zieht einem der erste Schluck Schöfferhofer Grapefruit Weizen-Mix (2,5 % vol. Alkohol) zunächst die Mundwinkel so weit auseinander wie sonst nur der Zahnarzt.

Das Ziehen wird durch das natürliche Aroma der „Citrus × paradisi“ (sic! wissenschaftlicher Name für Grapefruit) erzeugt. Nicht unangenehm, aber doch auffällig anstrengend für den unteren Gesichtsbereich. Man erahnt, warum Grapefruit Grapefruit heißt: Sagen Sie mal laut „Grapefruit“! Das Aussprechen des Namens bereitet die Mundwinkel perfekt auf die Kontraktionen vor, die der Genuss der herben Säure den Lippen aufdrängt: So viel R auf engstem Raum, eng umgeben von der exotischen Vokalkombination ui, verkleben die Aussprache wie sonst nur der zuckrige Schaum dieses Erfrischungsgetränks.

Man kann dieses Zeug, das aussieht wie flüssig gewordene Kinderknete, nur aus der Flasche, nur eisgekühlt und nur bei einer Lufttemperatur von mindestens 27 Grad Celsius zu sich nehmen. Der Vorteil zu eisgekühlter Coca-Cola mit Zitronenscheibe oder einer Flasche Bier: Einmal angesetzt, saugt man den Grapefruit-Biermix in einem Zug leer und möchte keinesfalls noch ein zweites. Oder, hm, vielleicht doch noch den Weizenmix-Maracuja probieren? Doris Akrap