Corona in Turkmenistan: Das unsichtbare Virus

In der zentralasiatischen Republik gibt es offiziell keinen Pandemiefall. Jetzt ist ein WHO-Team angerückt, um sich ein Bild von der Lage zu machen.

Der turkmenische Präsident auf einer Fahrradtour

In Turkmenistan gibt es offiziell kein Corona – aber einen Präsidenten, der sich sportlich gibt Foto: Igor Sasin/afp

BERLIN taz | Es bedurfte eines zweimonatigen Kampfes, doch am Montag dieser Woche war es soweit: Ein fünfköpfiges Expert*innenteam der Weltgesundheitsorganisation (WHO) landete in der zen­tralasiatischen Republik Turkmenistan. Sie wollen sich während ihres zehntägigen Aufenthaltes ein Bild von der Lage in Sachen Coronapandemie machen. Doch laut Regierung gibt es in Turkmenistan gar nichts zu sehen. Sie behauptet, dass bisher kein einziger Fall registriert worden sei.

Die angebliche Virusfreiheit ist nicht das einzige Alleinstellungsmerkmal Turkmenistans. Der Staat mit sechs Millionen Einwohner*innen und bedeutenden Erdgasvorkommen, gehört zu den abgeschottesten und repressivsten Ländern weltweit. Menschenrechte existieren in der Praxis genauso wenig wie eine Opposition oder unabhängige Medien. Wer sich doch einmal aus der Deckung wagt und Kritik äußert, verschwindet nicht selten in Gefängnissen an unbekannten Orten.

Nicht minder bizarr ist der „weise Führer“ aller Turkmen*innen, Staatspräsident Gurbanguly Berdymukhammedow. Der 63-Jährige, den die staatlichen Medien mit den immer gleichen jugendlich Bildern in einer Dauerschleife abfeiern, ist seit 2007 an der Macht.

Gerne präsentiert sich der gelernte Dentist seinem Volk als Mann mit vielen Talenten – sei es als Verfasser literarischer Werke, Musiker oder bei körperlicher Ertüchtigung. Unlängst berichtete die staatliche Webseite Goldenes Zeitalter, dass sich der Präsident im Urlaub befinde. Dort verbringe er Zeit mit seinen Enkelkindern, fahre Fahrrad und halte mit seinen Lieblingspferden Zwiesprache.

Unmut gegen den Übervater

Doch mittlerweile regt sich in der Bevölkerung Unmut gegen ihren Übervater. Denn die wirtschaftliche Lage ist desaströs – nicht zuletzt, weil die Preise für Erdgas eingebrochen sind. Es mangelt an Grundnahrungsmitteln wie Mehl, Speiseöl und Zucker.

Bargeld ist rar geworden. Auf den Märkten haben sich die Preise in den vergangenen Jahren verdoppelt oder verdreifacht. In der Hauptstadt Aschgabat starb ein Mann, als sich mehrere Personen um Abfälle prügelten.

Auch die Leugnung von Coronafällen kaufen viele der Regierung nicht mehr ab. Mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass es eine wachsende Anzahl von Erkrankungen der Atemwege gibt und medizinische Einrichtungen unter Quarantäne gestellt wurden.

Am Donnerstag berichtete der türkische Fernsehsender TRT Avaz vom Ableben eines Angehörigen der türkischen Botschaft in Aschgabat. Der Berater für religiöse Angelegenheiten sei mit Lungenproblemen, einer schweren Erkältung und Fieber in ein Krankenhaus eingeliefert worden und dort in der Nacht zu Mittwoch gestorben.

Flugblätter verteilt

Ende Juni veröffentlichte das in den Niederlanden ansässige unabhängige Nachrichtenportal Turkmen.news Fotos von Turkmen*innen, die in Aschgabat und anderen Städten Flugblätter mit dem Konterfei des Präsidenten verteilen. „Hau ab!“ und „Dieb!“ stand darauf.

Das ebenfalls unabhängige Webportal Fergana.ru berichtete von der Gründung einer oppositionellen Bewegung „Demokratische Wahl Turkmenistan“, die angeblich Unterstützer*innen in allen Landesteilen hat. Das Ziel ist mehr als ambitioniert: „Turkmenistan von der Diktatur Berdymukhammedow zu befreien.“

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