Wegen Chinas neuem Gesetz: Kein TikTok mehr in Hongkong

Weil Chinas Sicherheitsgesetz die Freiheit sozialer Medien in Hongkong beschneidet, wollen Internetriesen nicht mehr mit den Behörden dort kooperieren.

Plakate ohne Inhalt: Neue Protestform gegen das Verbot von Slogans, Hongkong 3. Juli Foto: Tyrone Siu/reuters

BERLIN taz | Das soziale Netzwerk und populäre Videoportal TikTok zieht sich wegen Chinas drakonischem Nationalem Sicherheitsgesetz für Hongkong aus der bisher autonomen Metropole zurück. Der chinesische Internetkonzern ByteDance, dem TikTok gehört, bestätigte am Dienstag, dass TikTok „angesichts der jüngsten Ereignisse“ in Hongkong eingestellt werde. Die vom gleichen Konzern angebotene chinesische Plattform Douyin, die Peking zensiert, werde in Hongkong aber weiterbetrieben.

Auch andere Konzerne und Plattformen reagierten auf das umstrittene Gesetz: Facebook, WhatsApp, Google, Twitter, Telegram, Zoom und Linkedin kündigten an, mögliche Anfragen Hongkonger Behörden nach Daten von Nutzern vorerst nicht zu beantworten.

Facebook erklärte, zunächst mit Menschenrechtlern über die Auswirkungen des Gesetzes zu beraten. Die Konferenzplattform Zoom, die im Juni auf Druck Pekings sogar in den USA Videos chinesischer Dissidenten blockierte, will jetzt laut der Onlinezeitung Hong Kong Free Press die Lage prüfen.

Den Plattformen droht eine Blockade in Hongkong, wenn sie nicht kooperieren. Auf dem Festland ist dies längst der Fall, wenn die Konzerne den chinesischen Behörden den Zugang zu ihren Servern verweigern. Nach dem neuen Gesetz müssen Betreiber unerwünschte Inhalte löschen, egal, von wo sie ins Netz gestellt wurden.

Hongkong bekommt Internetzensur

Das am 1. Juli in Hongkong in Kraft getretene nationale Sicherheitsgesetz sieht zudem vor, dass Internetanbieter auf Anfrage Inhalten löschen, Identifikationsnachweise oder Hilfe bei der Entschlüsselung zur Verfügung stellen müssten.

Das Gesetz verbietet in Hongkong Aktivitäten, die von Chinas Regierung als subversiv, sezessionistisch, terroristisch oder in Kollaboration mit ausländischen Interessen bewertet werden.

Diese nach Meinung von Kritikern bewusst vage gehaltenen Straftatbestände sollen die von Peking als umstürzlerisch empfundenen Hongkonger vor allem einschüchtern. Vorgesehen ist bis zu lebenslängliche Haft.

Vor allem stellt das Gesetz jetzt Hongkongs bisher autonom agierende Sicherheitsorgane unter die Hoheit der chinesischen Staatssicherheit und Justiz. Die können jetzt eigenmächtig und ohne Kontrolle durch Hongkonger Gerichte in der früheren Kronkolonie und heutigen Sonderverwaltungsregion ermitteln und Verdächtige auch auf das Festland ausliefern.

Hongkongs Demokratiebewegung sieht das Gesetz vor allem gegen sich gerichtet und wertet es als Beendigung der Autonomie der Stadt, die ihr mit der Rückgabe an China 1997 nach der Formel „Ein Land, zwei Systeme“ versprochen worden war. Im Unterschied zum Festland hatten die Hongkonger bisher auch weitgehende politische Rechte sowie Meinungs- und Pressefreiheit.

Social-Media-Nutzer säubern ihre Profile

Nach einem Bericht der in der Stadt erscheinenden South China Morning Post löschten die Menschen dort jetzt eifrig potenziell anstößige Postings aus ihren Sozial-Media-Konten und wechseln zu verschlüsselten Chatprogrammen.

Am Montagabend waren weitere Details zum neuen Gesetz bekannt geworden. Demnach dürfen die Behörden jetzt auch ohne richterliche Anordnung Wohnungen durchsuchen, Telefone abhören und Pässe einziehen und so deren Besitzer am Verlassen der Stadt hindern. Der von der Demokratiebewegung benutzte Protest­slogan „Befreit Hongkong! Das ist Revolution unserer Zeit“ wurde verboten.

Die Schulbehörde ordnete inzwischen die Überprüfung von Schul­material auf jetzt verbotene Inhalte an. Ein Lehrer fürchtet laut South China Morning Post gar, demnächst könnten auch Bücher über Nelson Mandela oder Mahatma Gandhi verboten werden.

Protest mit Zetteln ohne Aufschrift führt zu Festnahme

Einige Geschäfte wurden Medienberichten zufolge von der Polizei verwarnt, demokratiefreundliche Plakate zu entfernen. Zuvor waren einige Bücher von Demokratieaktivisten aus öffentlichen Büchereien verbannt worden.

Am Montag nahm die Polizei in einem Einkaufszentrum acht Personen fest. Sie hatten friedlich gegen das neue Gesetz demonstriert – mit weißen Zetteln ohne Aufschrift. Wie stets in letzter Zeit gab es keine Genehmigung für den Protest.

Regierungschefin Carrie Lam verteidigte am Dienstag vor der Presse das Sicherheitsgesetz. Es bedeute nicht Hongkongs „Untergang und Finsternis“, sondern sei „eher mild“ und würde helfen, dass Hongkong eine der sichersten Städte der Welt bleibe.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.