meinungsstark
:

Generationenkonflikt in der taz?

„Die Welt ist nicht schwarz-weiß. Welche Bedeutung hat die Frage, wer spricht? Kaum etwas ist für junge KollegInnen wichtiger als Identität – und das verändert den Journalismus stark“, taz vom 24. 6. 20

Dieser Essay von Christian Jakob hat mir geholfen, etwas besser zu verstehen, worin der Generationenkonflikt besteht: Es gibt offenbar eine Veränderung in der diskursiven Kultur und Sprache, die mit einer Fülle von neuen Begriffen operiert und die darin besteht, dass die Person, die von ihrer eigenen Erfahrung als Betroffene spricht, eine höhere diskursive Bedeutung hat als das, was inhaltlich gesagt wird und einer rationalen Prüfung standhalten muss. Einer der Schlüsselbegriffe scheint mir dabei der der „Identität“ zu sein. Aus psychologischer und medizinethischer Perspektive ist mir die Berücksichtigung der Erste-Person-Perspektive schon lange vertraut, sowohl in der Abgrenzung zu einem traditionellen bevormundenden Pater-/Maternalismus, aber auch mit den Schwierigkeiten, die damit in Entscheidungskonflikten verbunden sind. Auf gesellschaftspolitischer Ebene habe ich das bisher noch nicht so deutlich wahrgenommen und bin dankbar für diese Lernerfahrung. Man nennt es also „intersektional“ und es ist inzwischen diskursiver Mainstream, wenn nicht sogar „hegemonial“? Die Position dessen, der spricht, also die Betroffenenperspektive, zählt als diskursentscheidendes Argument?

Wie weist sich dann glaubhafte Betroffenheit aus, und wie wirken sich unterschiedliche Betroffenheiten gegenseitig aus, wenn sie in diskursive Konkurrenz gegeneinander treten? Wie kommt die Legitimation zur Sprecherposition zustande? Wenn es um politische Entscheidungskonflikte geht, also um Verteilungs- und Gerechtigkeitsfragen sowie Fragen im Feld von Freiheit versus Sicherheit, dann scheint mit da doch eine große Unklarheit und potenzielle Beliebigkeit zu bestehen. Die berühmte Habermas’sche Formel von der kommunikativen Vernunft und der idealen Diskursgemeinschaft lebt noch klar von der traditionellen Kraft des besseren Arguments. Das scheint also jetzt zum (vergangenen) Traditionsbestand zu gehören? Habe ich da etwas noch nicht verstanden?

Also, liebe taz, danke für die journalistische Offenheit und bitte mehr von der Debatte darüber. Andreas Pernice, Bremen

„Europa kann also, wenn es will!“

betr.: Flüchtlingspolitik in Coronazeiten

Im Moment lese ich die Zeitung mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Es tut gut zu erleben, wie Europa in der Coronakrise zusammensteht. Man einigt sich auf ein Milliar­den-Hilfspaket, übereinstimmend schließt man Grenzen, Spendenmarathons bringen Milliarden, man steht einander bei. Europa kann also, wenn es will.

Was ist daran zum Heulen? Verzweifelte Menschen ertrinken und werden in menschenunwürdige Lager gepfercht. Die Menschenrechte, die Genfer Konvention, das Grundgesetz werden mit Füßen getreten. Die christlichen Grundwerte, die unfassbaren Verbrechen des Holocaust, die Diskussion über systemischen Rassismus, Europas Schuld während der Kolonisierungspolitik, die Stärkung und Radikalisierung der Rechten – alles ist gesagt, und alles untermauert die unbedingte Notwendigkeit, eine tragfähige, langfristige, humane Flüchtlingspolitik zu entwickeln.

Warum passiert nichts, wenn Europa kann, wenn es will? Eva Sarrazin, Bonn

Will Europa Länder ohne Bäume?

„Europa verliert Wald“, taz vom 6. 7. 20

Die „natürliche Störung“ Feuer ist (in Spanien zumindest) meist durch Menschen verursacht, um Bau- oder Agrarland zu gewinnen. Ist auf dem ehemaligen Waldstück erst einmal eine Siedlung entstanden, werden die illegalen Bauten vor der nächsten Wahl bei einer Amnestie legalisiert.

Außerdem: Der weltweite Holzverbrauch hängt auch mit dem wachsendem Bedarf nach Cellulose für Sanitärzwecke zusammen. Nicht umsonst lautet das Motto einer berühmten Wegwerflappenfirma „Wisch und weg!“

Friedrich Thorwest, München