Tanzen in Coronazeiten: „Gerade eine hochsensible Zeit“

Abstandsregelungen und Clubkultur miteinander zu verbinden, ist eine echte Herausforderung, weiß Lutz Leichsenring von der Clubcommission Berlin.

DJ am Laptop legt auf bei einer Party in der Berliner Hasenheide

Zum Tänzchen im Park: DJ Himself legt im Volkspark Hasenheide bei einer Party auf Foto: Christoph Soeder/dpa

taz: Herr Leichsenring, auf dem Gelände des Vereins Haselhorst13 in Spandau hätte am Wochenende die erste legale Open-Air-Partyveranstaltung seit Corona stattfinden sollen. Auch die Clubcommission wurde über diese vorab informiert. Bevor es richtig losging, löste die Polizei jedoch das Treiben wieder auf. Wissen Sie, was genau vorgefallen ist?

Lutz Leichsenring: Die Veranstaltung wurde sehr kurzfristig geplant. Somit konnte man auch nicht die Behörden langsam sensibilisieren für sein Anliegen. Es stimmt, wir als Clubcommission hatten uns vor Ort ein Bild gemacht und hatten auch an einem Treffen der Veranstalter teilgenommen. Doch offensichtlich kam die Genehmigung nicht rechtzeitig. Und solange nicht alle Genehmigungen vorliegen, kann so eine Veranstaltung auch nicht durchgeführt werden. Für das Thema Partys ist es eben gerade eine hochsensible Zeit und keiner seitens der Verwaltungen hat Lust, sich die Finger zu verbrennen. Das kann ich auch irgendwo nachvollziehen.

Es musste also zwangsläufig so laufen, wie es gelaufen ist?

Es wurden auch einfach Fehler gemacht. Wie gesagt, der größte Fehler war, dass die Veranstaltung begonnen hat, ohne dass dafür eine vollständige Genehmigung vorlag. Und eben bei der Kommunikation mit den Behörden. Wenn jemand so eine Veranstaltung besser vorbereitet, sich genug Zeit lässt und das mit einer gewissen Professionalität angeht, werden die Behörden so einer Geschichte auch eine Chance geben.

Parks: Besonders beliebt für (nicht angemeldete) Feiern im Freien sind laut Polizei die Hasenheide, der Mauerpark, das Gleisdreieck oder der Treptower Park. In der Hasenheide hatten zuletzt mehrfach Gruppen gefeiert.

Wochenende: Am Wochenende löste die Polizei neben dem im Interview angesprochenen H13-Festival, bei dem man sich von Veranstalterseite um eine Genehmigung bemüht hatte, am Samstag, 4. Juli, auch eine größere Party in Friedrichshagen mit rund 1.000 Menschen auf.

Regeln: Nach der neuen Eindämmungsverordnung sind Veranstaltungen im Freien für bis zu 999 Personen erlaubt. Diese Regelung gilt zunächst bis Ende August. Tanzveranstaltungen in geschlossenen Räumen sind weiterhin verboten.

Die Clubcommission setzt sich vehement für legale Tanzveranstaltungen im Freien ein. Fast wäre es jetzt endlich so weit gewesen. Ist das jetzt ein herber Rückschlag?

Für uns ist es gerade eine schwierige Zeit. Wir sehen ein, dass Veranstaltungen im Innenraum zu einer Art Petrischale für das Virus werden könnten. Aber auf der anderen Seite sind wir daran interessiert, dass es Alternativen zu den illegalen ­Raves gibt. Dass es jetzt nicht einmal in Spandau geklappt hat, also nicht einmal irgendwo in der zentralen Stadtmitte, ist natürlich schon ein wenig schade.

Die Clubs halten sich bislang noch sehr bedeckt damit, Hygienekonzepte zu erarbeiten und selber Open-Airs veranstalten zu wollen. Sie öffnen lieber weiter ihre Biergärten. Woran liegt das?

Ich kann verstehen, dass Clubs, die vielleicht noch die beste Infrastruktur für Tanzveranstaltungen haben mit ihren Außenflächen, erst einmal sehr vorsichtig sind. Denn was man nicht haben möchte als Clubbetreiber, gerade in Berlin, ist, eine Art Policing durchzuführen. Also den Leuten ständig über die Schulter zu schauen mit Security und ihnen zu sagen, was sie machen und was sie nicht zu machen haben.

Jahrgang 1979, ist Pressesprecher der Clubcommission Berlin.

Statt der Clubs sind so die Partykollektive gefragt. In Spandau steckte ja auch eines hinter dem geplanten Rave.

Ja, aber da gibt es ja auch Überschneidungen. Viele Clubs sind aus Kollektiven entstanden, viele arbeiten mit Kollektiven zusammen. Aber diese Strukturen, die sich aus Künstlern zusammenstellen und keine feste Location haben, sind diejenigen, die schon immer in dieser Zeit des Jahres ihre Open-Airs veranstalten.

Die Politik scheint ihr Anliegen durchaus zu verstehen. Die Bezirksbürgermeister von Pankow, Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg wollen unbürokratisch Freiflächen zur Verfügung stellen.

Wir schätzen es sehr, dass hier von der Politik proaktiv Angebote gemacht werden. Weil irgendwann kommt es zu einer Umgehung der Verbote. Und wenn dann illegale Partys organisiert werden, im Verborgenen veranstaltet wird, ist das für alle die schlechtere Alternative. Deswegen müssen wir daran arbeiten, dass es die legalen Möglichkeiten gibt.

Findet denn da bald etwas statt, in Marzahn-Hellersdorf oder Pankow?

Da ist gerade noch alles im Fluss. Es gibt bereits die ersten Interessenten, die ersten Gespräche und Begehungen. Aber so weit ich weiß, ist da offiziell noch keine Veranstaltung angekündigt worden.

So leicht, einen Rave unter Coronabedingungen durchzuführen, ist es auch nicht, oder?

Auch für uns als Clubcommission ist das eine Gratwanderung. Clubkultur hat sehr viel mit Interaktion, Vernetzung mit Leuten, teilweise mit Geschlechtsverkehr zu tun. Die Hygieneregelungen schränken all das deutlich ein oder machen es unmöglich. Da versuchen wir einen Weg zu finden. Wie der genau aussieht, das müssen die Veranstalter und ihre Gäste aber selbst austarieren.

Wie will man überhaupt das mit den Abstandsregeln hinbekommen?

Das hängt von der Veranstaltung und den räumlichen Gegebenheiten ab. Wir haben keinen Masterplan entwickelt, in dem wir vorgeben, wie das auszusehen hat. Mit einer gewissen Kreativität kann jeder Veranstalter selber überlegen, wie er das macht: ob das nun Punkte auf dem Boden sind, auf denen getanzt wird, oder ob die Leute Gewänder tragen, die für Abstand sorgen, oder jeder tanzt in einem aufgeblasenen Ball.

Doch nach dem zweiten Bier hält sich eh niemand mehr an die Regeln, oder?

Das ist ziemlich menschlich, dass man den Kontakt und die Nähe zu anderen sucht. Man ist ja im Club normalerweise sehr achtsam und auf Solidarität bedacht. Aber klar, Abstandsregelungen und Clubkultur miteinander zu verbinden, das ist eine echte Herausforderung.

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