Schöner fliegen

Beim FC Bayern denkt man nach dem souveränen Pokalerfolg gegen Bayer Leverkusen bereitsan die Kaderplanung und ganz besonders an den noch möglichen Champions-League-Sieg

Gesuchte Nähe: Trainer Hansi Flick will David Alaba, der mit anderen Klubs liebäugelt, in München halten Foto: dpa

Aus BerlinElisabeth Schlammerl

Es war vermutlich Gewohnheit, als sich die Mannschaft des FC Bayern nach dem Schlusspfiff Richtung Ostkurve aufmachte. Dorthin, wo dieses Mal nur 900 Banner der Fanclubs waren, aber keine Menschen saßen. Die Spieler machten einfach das, was sie sonst meistens nach dem Pokal-Finale im Berliner Olympiastadion getan haben: feiern, am Samstag war es dann eben eine Geisterparty. Oben auf der Tribüne reckten die Bayern-Verantwortlichen nach dem 4:2-Erfolg gegen Bayer Leverkusen die Jubelfaust nach oben, und unten auf dem Rasen schnappte sich die Mannschaft dann irgendwann den Trainer. Hansi Flick zappelte ein bisschen mit den Beinen, als ihn die Spieler in die Luft warfen. Er habe nicht gewusst, dass seine Mannschaft so stark sei, sagte er danach. „Aber es war schön, auch einmal ein bisschen zu fliegen.“

Ganz überzeugend kam das aber nicht rüber, denn eigentlich ist Flick einer, der lieber mit beiden Beinen auf der Erde bleibt. Auch nach dem zweiten Titelgewinn wirkte er abgesehen von ein paar emotionalen Gesten sehr kontrolliert. Dass er besonders innig David Alaba drückte, war vielleicht nicht ganz so spontan, wie es schien, sondern Teil seiner nächsten Aufgabe. Der Österreicher, den Flick von einem sehr guten Linksverteidiger zu einem fast noch besseren Innenverteidiger umgeschult hat, sei „das Herzstück, auch außerhalb des Platzes einer, der die Mannschaft mit seiner positiven Art motiviert“, sagte der Bayern-Trainer. Alaba, der mit einem Freistoßtor den 20. Pokalsieg eingeleitet hatte, hat bisher das Angebot zur Verlängerung seines 2021 auslaufenden Vertrages nicht angenommen. Und dann ist da noch Thiago, der dem Verein signalisierte, noch einmal eine neue Herausforderung zu suchen. Angeblich ist der FC Liverpool interessiert, allerdings, versicherte der Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge, habe sich noch niemand gemeldet. „Auch wenn es bei Thiago nicht so einfach ist, werde ich mich mit allem, was ich habe, dafür einsetzen, dass wir beide halten können.“

Während die Spieler nach Sponsorenterminen am Montag zwölf Tage frei haben, ehe die Vorbereitung auf das Cham­pions-League-Turnier in Lissabon beginnt, kümmert sich Flick darum, dass er dann eine Mannschaft zur Verfügung hat, mit der er sein Meisterstück vollenden kann. Angesichts des dichten Programms im Herbst, der Sommerpause auf Raten und der damit womöglich schwierigen Regeneration verwies er auf die Dringlichkeit, „noch breiter aufgestellt“ zu sein. Auch Javi Martínez und Corentin Tolisso haben Abschiedsgedanken. Weil bisher mit Leroy Sané und Tanguy Nianzo Kouassi erst zwei neue Feldspieler für den Profikader verpflichtet wurden, stellte Flick weitere Transferaktivitäten in Aussicht: Man sei dabei, sich nach Alternativen umzuschauen, denn in diesen Zeiten sei es auch für den FC Bayern „nicht so einfach ist, Geld auszugeben“.

Mit seiner bisherigen Bilanz toppte Flick zwar die von Jupp Heynckes und Pep Guardiola. 29 Pflichtspielsiege, davon zuletzt 17 am Stück und nur zwei Niederlagen sind noch keinem Bayern-Trainer gelungen, aber die höchste Stufe erklimmt er erst, wenn er die Sehnsucht nach der Champions-League-Trophäe, dem europäischen Henkelpott, stillen kann. Rummenigge erklärte bei der internen Pokalsause im Mannschaftshotel am Potsdamer Platz: „Alle, die 2013 schon dabei waren, wissen, dass es ein langer und schwieriger Weg ist. Aber wenn ich euch in den letzten Wochen und Monaten so beobachtete habe, ist es ein Weg, der möglich ist.“ Mit einem Trainer, der sich dann vielleicht auch ans Fliegen gewöhnt.