Schröder im Wirtschaftsausschuss: Er ist wieder da

Gerhard Schröder, Exkanzler und Gazprom-Lobbyist, tritt als Sachverständiger im Bundestag auf. Der SPD scheint das peinlich zu sein.

Zwei Männer unterhalten sich

Gerhard Schröder (SPD, r.) mit dem Ausschussvorsitzenden Klaus Ernst (Die Linke) Foto: Kay Nietfeld/dpa

BERLIN taz | Auf den ersten Blick ist alles wie früher: Als Gerhard Schröder in den großen Anhörungssaal des Bundestags tritt, ist er von Kameras umringt. Braungebrannt und im gut geschnittenen Anzug posiert er vor seinem Platz, auf dem er als „Bundeskanzler a. D.“ vorgestellt wird.

Doch schnell zeigt sich, dass sich einiges geändert hat, seit er hier vor 15 Jahren – damals noch ohne den Zusatz „a. D.“– unterwegs war: Seine eigenen Parteifreunde bleiben demonstrativ auf Abstand; lediglich Klaus Ernst, Abgeordneter der Linken und Vorsitzender des Bundestagswirtschaftsausschusses, in dem Schröder heute auftritt, begrüßt den Exkanzler und plaudert vor Beginn der Anhörung minutenlang mit ihm. So gut war das Verhältnis zwischen den beiden nicht immer: Es war Schröders Agenda 2010, wegen der Ernst im Jahr 2004 den Aufruf zur Gründung der WASG verfasste, die später mit der PDS zur Linkspartei fusionierte.

Heute sind die einstigen politischen Gegner sich dagegen völlig einig, und zwar in ihrer Begeisterung für Russland und die Gaspipeline Nordstream 2, die das Land gerade nach Deutschland verlegt. Um die geht es heute im Wirtschaftsausschuss, genauer gesagt um die Sanktionen, mit denen die USA ihre Fertigstellung in letzter Minute noch verhindern wollen. Das gefällt Klaus Ernst nicht, denn er hält die Pipeline für notwendig und die geplanten Sanktionen für einen Angriff auf die deutsche und europäische Souveränität.

Und noch weniger gefallen die US-Pläne Gerhard Schröder. Denn nachdem er 2005 noch als Bundeskanzler die Pläne für die neue Gaspipeline vom russischen Wyborg ins deutsche Greifswald auf den Weg gebracht hatte, wechselte er 2006 fast nahtlos in den Aufsichtsrat der Gazprom-Tochter Nordstream, die die erste Pipeline gebaut hat und jetzt um die Fertigstellung der zweiten fürchten muss.

Die Linke fragt ausgiebig und wohlwollend

Den meisten seiner früheren Genossen ist dieser unmittelbare Wechsel vom Kanzler zum Lobbyisten bis heute peinlich. Und dass er jetzt sogar im Bundestag auftritt, um die Interessen seines neuen Arbeitgebers zu vertreten, dürfte dieses Gefühl eher verstärkt haben. Die SPD-Abgeordneten verzichten in den ersten Runden darauf, eine Frage an ihren ehemaligen Vorsitzenden zu richten.

Schröders Partei­freunde bleiben demonstrativ auf Abstand

So dauert es über eine halbe Stunde, bis Schröder auf eine Frage von Ernst hin erstmals das Wort ergreifen kann – per Handy dokumentiert von seiner Ehefrau Schröder-Kim So-yeon, die den Auftritt von der Besuchertribüne verfolgt. Den zuvor von der FDP geäußerten Vorwurf, sein Auftritt als „Kreml-Lobbyist“ würde das Thema unnötig „politisieren“, weist der Exkanzler dabei zurück: „Ich bin nicht hier, um etwas zu politisieren, sondern weil Sie mich eingeladen haben“, erklärt er. „So groß ist mein Respekt vor dem Parlament immer noch, dass ich dann auch komme.“ Neben den Linken befragen auch die Abgeordneten der AfD Schröder ausgiebig und wohlwollend; von der SPD und der CDU gibt es jeweils nur eine einzige kurze Frage.

Seinem früheren Job trauert der jetzige Lobbyist nicht nach, das lässt er immer wieder durchscheinen. „Das ist Sache der operativen Politik, in der ich ja bekanntlich nicht mehr bin“, antwortet er auf die Frage nach möglichen russischen Reaktionen auf die geplanten Sanktionen – und fügt hinzu: „Was ich im übrigen nur begrenzt bedauere.“ Auch Formalitäten wie eine Redezeitbegrenzung – die Ernst als Vorsitzender bei Schröder ohnehin schon großzügiger auslegt als bei den anderen Sachverständigen – kennt er als Aufsichtsratschef offenbar nicht mehr. „Da muss ich mich erst wieder dran gewöhnen“, kommentiert er sarkastisch.

Während Schröders Auftritt für die SPD eher ein bisschen peinlich ist, sorgt er innerhalb der Linkspartei für heftigen Streit. Dass Klaus Ernst den bei vielen verhassten Exkanzler ohne Absprache eingeladen hat, stößt bei Lorenz Gösta Beutin, Klimaexperte der Fraktion und Mitglied im Wirtschaftsausschuss, auf scharfen Protest. „Der Gazprom-Lobbyist“ stehe „für das Gegenteil von dem, wofür die Linke seit Jahren im Bundestag streitet“, meint er und fordert eine interne Aufarbeitung des Vorgangs. Und auch Solid, der Jugendverband der Linken, ist empört. Cofraktionschef Dietmar Bartsch soll die Einladung Schröders bei der Fraktionssitzung am Vorabend dagegen verteidigt haben.

Gerhard Schröder, der nach der Anhörung ohne ein Statement mit seiner Frau und zwei Bodyguards im Aufzug verschwand, dürfte sich über diese Debatte freuen. Gazprom verteidigt und die Linke gespalten – zumindest für ihn war der Auftritt ohne Frage ein Erfolg.

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