Hart gegen Minderjährige

Beim Protest gegen Polizeigewalt in Berlin wurden viele Jugendliche festgenommen und verletzt

Von Bert Schulz

Die Polizei ist während und nach der Black-Lives-Matter-Demonstration Anfang Juni am Alexanderplatz auffallend hart gegen Minderjährige vorgegangen. Von den insgesamt 89 vorübergehend Festgenommenen waren 25 jünger als 18 Jahre. Sechs von ihnen wurden auf ein Polizeirevier gebracht, wo sie teils erst nach mehr als sechs Stunden und weit nach Mitternacht freigelassen wurden. Vier von ihnen waren zudem verletzt.

Das geht aus einer bisher unveröffentlichten Kleinen Anfrage der Abgeordneten June Tomiak (Grüne) hervor, die der taz vorliegt. Unter den mehreren Zehntausend Teilnehmenden an der stillen Kundgebung waren viele sehr junge Menschen und PoC (People of Colour); viele von ihnen demonstrierten zum ersten Mal in ihrem Leben.

„Dieser Umgang mit jungen Menschen ist heftig“, erklärte Tomiak auf taz-Nachfrage am Freitag. „Einen Minderjährigen bis drei Uhr festzuhalten und dann einfach auf die Straße zu setzen – das geht überhaupt nicht.“ Zudem hätten ihr Betroffene berichtet, dass sie ihre Erziehungsberechtigten erst sehr spät oder gar nicht anrufen konnten. Eine Dokumentationspflicht darüber gibt es laut der Kleinen Anfrage nicht. „Das müssen wir ändern“, so Tomiak.

Auch die von der Polizei festgestellten Verletzungen lassen aufmerken. Eine 16-jährige Person hatte eine Nackenverletzung, eine 15- und eine 17-jährige wiesen Augenreizungen auf, eine weitere 17-jährige Person hatte eine blutige Unterlippe. Trotzdem erklärt die Polizei dazu, dass ihr über die Ursache der Verletzungen „keine Erkenntnisse“ vorliegen würden.

„Traumatische Erlebnisse“

Tomiak geht hingegen davon aus, dass die Verletzungen im Zuge der Festnahmen passierten, etwa durch den Einsatz von Reizgas. „Das sind gerade für Minderjährige sehr traumatische Erlebnisse“, sagt die Grünen-Abgeordnete.

Die Demonstration am ersten Samstag im Juni war aus mehreren Gründen in die Schlagzeilen geraten. So waren wesentlich mehr als die angemeldeten rund 1.500 Menschen gekommen. Laut Polizei protestierten „in der Spitze 15.000 Teilnehmende“ auf und um den Alexanderplatz gegen Polizeigewalt. Laut Beobachtern waren es deutlich mehr, wie auch Luftaufnahmen nahelegen. Der Platz war dicht gefüllt, deswegen konnten die Corona-Abstandsregeln nicht eingehalten werden. Ein großer Teil der Teilnehmenden trug einen Mund-Nasen-Schutz.

Anders als viele Polizisten. „Nicht alle eingesetzten Dienstkräfte trugen einen Mund-Nasen-Schutz“, heißt es in der Kleinen Anfrage. Das sei „nicht verpflichtend“ – obwohl auch die Einsatzkräfte der Berliner Polizei „grundsätzlich“ der Corona-Verordnung unterliegen würden. „Das finde ich nicht gut“, sagt dazu Tomiak.

Zudem war es am Rande und nach Ende der Kundgebung zu harten Einsätzen von Polizisten auch gegen Schwarze Demonstranten gekommen, wie zahlreiche im Internet veröffentliche Videos zeigten. „Viele Teilnehmende hatten das Gefühl, dass nur PoC-Jugendliche von der Polizei mitgenommen wurden“, berichtet Tomiak. Offenbar habe sich die Polizei nicht richtig auf den Einsatz vorbereitet: „Man wusste ja, dass viele junge Leuten kommen würden, darunter eben auch 12- bis 15-Jähre.“

Ausführlich auf taz.de/berlin