Schutz von Wildtieren in Feuchtgebieten: Bleifrei ballern

Die EU-Kommission will Bleimunition zur Jagd in Feuchtgebieten verbieten. Die Bundesregierung stimmt dagegen und argumentiert mit Tierwohl.

Seeadler hat einen Fisch gefangen

Immer wieder sterben Seeadler an Bleivergiftung, weil sie die Reste verendeter Tiere fressen Foto: Staffan Widstrand/WildWonders

BERLIN taz | Es gibt Jäger, die schwören auf Bleimunition. Sie halten die Geschosse für optimal, weil sie Tieren, so sagen sie, ein schnelles, gnädiges Ende bereiteten. Für Naturschützer, auch für Verbraucherschützer sind sie indes allein eins: ein Übel, das längst verboten sein müsste.

Es ist ein ewiger Streit, dem die EU-Kommission nun ein Ende setzen will. Zumindest will sie die Bleimunition für die Jagd in den ökologisch besonders sensiblen Feuchtgebieten verbieten, in denen Enten, Gänse und andere Wasservögel dümpeln.

Doch Deutschland hat dem am Dienstag bei der Vorabstimmung auf europäischer Ebene nicht zugestimmt. Das Ressort der CDU-Bundesagrarministerin Julia Klöckner hat sich gesperrt, die Bundesregierung enthielt sich.

Hintergrund: Immer wieder sterben Seeadler an Bleivergiftungen. In Deutschland ist es ihre häufigste Todesursache, und zwar nicht, weil sie geschossen werden. Offenbar vertilgen sie Geschosssplitter und -kügelchen, wenn sie sich über Wildreste oder angeschossene und verendete Tiere hermachen. Und Blei ist ein wirksames Gift.

An Blei sterben jedes Jahr eine Million Wasservögel

Schon kleine Konzentrationen haben Folgen, sie schädigen zum Beispiel Nerven, beeinträchtigen Reaktionsfähigkeit und Wahrnehmung. Die Reste der Munition machen aber nicht allein dem Greifvogel zu schaffen, sondern anderen Tieren und dem Menschen genauso. Das Bundesinstitut für Risikobewertung rät zum Beispiel Schwangeren, Frauen mit Kinderwunsch und Kindern bis 7 Jahre auf Wild aus der Bleigeschossjagd zu verzichten.

Jäger schießen in Europa in einem Jahr hunderte Millionen von Schrotpatronen ab. Doch „nur ein sehr geringer Anteil der abgefeuerten Bleimunition trifft ihr Ziel“, heißt es bei der Europäischen Chemikalienagentur Echa. In einem Jahr landeten so etwa 14.000 Tonnen Bleimunition in Wäldern, auf Feldern und Wiesen sowie rund 5000 Tonnen an Ufern, Teichen, Seen.

Und schon allein wegen letzterer, der Bleilast in den Feuchtgebieten, stürben jedes Jahr gut eine Million Wasservögel. Die Echa-Experten erklären: „Die Aufnahme eines einzigen Stücks Bleimunition reicht aus, um den Tod eines kleinen Wasservogels zu verursachen.“

Die Lieblingsmunition so manchen Jägers ist darum auch schon längst hier und dort reglementiert. In Dänemark ist sie seit 1996 komplett verboten. So weit ist Deutschland nicht. Doch in den deutschen Bundesforsten darf zum Beispiel auch kein Blei abgefeuert werden. Und außer Hamburg und Bremen haben alle Bundesländer dies für die Jagd an, auch über Gewässern schon ausgeschlossen.

Die EU-Kommission strebt ein komplettes Verbot an, nimmt sich zunächst aber auch nur die Jagd mit Blei in Feuchtgebieten vor. Für Torsten Reinwald, der für den Deutschen Jagdverband spricht, ist aber bleihaltig oder bleifrei gar nicht entscheidend. Für ihn zählt das „beste Verhältnis zwischen Verbraucher-, Umwelt- und Tierschutz.“

Ist Blei-Munition gut fürs Tierwohl?

Er sagt: „Wir müssen den Bleigehalt minimieren, aber die Tötungswirkung maximieren.“ Daran werde auch geforscht. Das Bundesagrarministerium argumentiert ähnlich. Der Entwurf der Kommission trage „noch nicht allen Belangen vollumfänglich Rechnung“, heißt es.

Nimmt, wer bleifreie Geschosse will, also mehr Leid der Tiere in Kauf? Jochen Flasbarth, Staatssekretär im SPD-geführten Bundesumweltministerium, meint: „Das Tierwohl-Argument zieht überhaupt nicht. Selbstverständlich kann mit anderer Munition und nötigenfalls auch mit anderem Kaliber eine sichere Tötung erreicht werden.“

Und Magnus Wessel vom Umweltverband BUND sagt es so: „Umweltgerechte Jagd geht auch ohne Blei. Wir können auf den Mars fliegen und auf dem Mond spazieren gehen, aber keinen Ersatz für Blei finden? Das kann nicht sein.“

Trotz der Enthaltung Deutschlands sah es nach der Vorabstimmung so aus, als käme eine Mehrheit für den EU-Vorstoß zustande. In einigen Tagen folgt nun die schriftliche Abstimmung. Jeder Mitgliedstaat kann seine Position noch einmal überdenken, auch Deutschland.

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