corona in hamburg
: „36 Kinder mit Antikörpern“

Foto: privat

Ania Muntau, 55, ist Direktorin der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin des UKE und leitet dort eine Studie über Corona und Kinder.

Interview Michelle Bauermeister

Frau Muntau, welche Rolle spielen Kinder bei der Übertragung von Corona?

Ania Muntau: Das können wir in dieser Phase der Nichtinfektions-Welle nicht untersuchen. Eine solche Frage könnten wir nur beantworten in der Phase der akuten Infektionswelle, wenn es sehr viele infektiöse Menschen gibt. Diese Chance haben weder wir noch weltweit andere Gruppen in der Phase der akuten Infektion wahrgenommen, weil wir viel zu beschäftigt waren mit dem klinischen Alltag und nicht die Testkapazitäten hatten, intensive Reihenuntersuchungen durchzuführen.

Was erforschen Sie dann in der aktuellen Studie am UKE?

Die Studie hat sich zum Ziel gesetzt, innerhalb von sechs Wochen 6.000 Hamburger Kinder und Jugendliche im Alter von 0 bis 18 Jahren auf die Häufigkeit und Schwere einer Infektion mit Sars-CoV-2 zu untersuchen. Mit besonderem Fokus auch auf Kinder mit schweren Vorerkrankungen, die wir an der Universitätskinderklinik natürlich im besonderen Maße untersuchen. Und hierzu haben wir uns mit allen Hamburger Kinderkliniken zusammengeschlossen.

Wie untersuchen Sie das?

Wir machen in einer sogenannten Screening-Phase bei allen Kindern einen Rachenabstrich, um festzustellen, ob eine akute Infektion vorliegt und bieten allen Familien eine Blutentnahme zur Antikörperbestimmung an. Und das Besondere ist, dass alle positiv Getesteten dann mit all ihren Haushaltsmitgliedern in die Tiefe weiter untersucht und die positiv getesteten Kinder über einen Zeitraum von sechs Monaten begleitet werden.

Wie häufig haben sich die Kinder und Jugendlichen mit dem Virus infiziert?

Wir haben bisher 5.000 Kinder untersucht und haben die Hälfte der geplanten Kohorte, also die Ergebnisse von 3.000 Kinder ausgewertet. Wir haben im Zeitraum vom 11. Mai bis 5. Juni kein Kind mit einem positiven Rachenabstrich gefunden. Das heißt, es gab keine akute Infektion. Außerdem haben wir bei 36 Kindern einen positiven Antikörperbefund erhoben. Wir haben keine akuten Erkrankungen gesehen in dieser Zeit.

Was beeinflusst die Infektion?

Was wir sehen, ist eine Altersabhängigkeit der Antikörperbefunde. Also junge Kinder haben eine niedrigere Wahrscheinlichkeit, Antikörper zu entwickeln als Ältere. Und interessanterweise haben die Kinder mit einer Vorerkrankung eine geringere Chance, Antikörper zu entwickeln. Das zeigt einen Trend dahingehend, dass Kinder mit Vorerkrankung vielleicht in besonderer Weise von ihren Eltern geschützt und abgeschirmt wurden.

War der Lockdown erfolgreich?

Genau das ist mein persönliches Fazit. Wir haben jetzt eine Basis für das Infektionsgeschehen. Also man sieht, was man bei vollständigem Rückfahren der sozialen Aktivitäten erreichen kann.