Studie zu Akzeptanz von Technologie: Gib's uns nachhaltig

Der „TechnikRadar“ misst die Einstellungen der Bevölkerung zu technologischen Erneuerungen. Dieses Jahr ging es um die Bioökonomie.

Frau an ihrem Laptop im Homeoffice

Einige haben die Vorteile der Digitalisierung schätzen gelernt Foto: Karsten Thielker

BERLIN taz | Das regierungsamtliche Wissen­schaftsjahr 2020 zum Thema Bioökonomie könnte als Rohrkrepierer enden. Mit der Coronapandemie hat sich ungeplant ein inoffizielles Wissenschaftsjahr zur Virusforschung und Epidemiologie auf die Agenda geschoben. Öffentliche Kommunikation und gesellschaftliches Interesse sind voll auf den wissenschaftlichen Abwehrkampf gegen den tödlichen Covid-19-Erreger fokussiert.

So liegt denn auch der neueste TechnikRadar zum Schwerpunktthema Bioökonomie, den die Akademie für Technikwissenschaften Acatech und die Hamburger Körber-Stiftung jetzt vorgelegt haben, quer zum herrschenden Wahrnehmungstrend. Der TechnikRadar, mit dem Untertitel „Was die Deutschen über Technik denken“, erfasst in einer groß angelegten demoskopischen Befragung, wie die deutsche Bevölkerung zum technischen Fortschritt und einzelnen Technologien steht. Vor einem Jahr ging es um die Digitalisierung.

Die Bioökonomie will die natürlichen Ressourcen in der Wirtschaft auf eine nachhaltige Weise nutzen. „Kreislaufwirt­schaft“ lautet das übergreifende Stichwort. Die Mehrheit der Deutschen findet diese Ökotechniken gut. 88,4 Prozent der Befragten hält es etwa für sinnvoll, herkömmliches Plastik durch Kunststoffe auf biologischer Grundlage zu ersetzen. Dass es dadurch auch zu Nachteilen für die Umwelt kommen kann, ist den Bürgern bewusst.

„Durch den Anbau der hierfür erforderlichen Rohstoffe erwartet mehr als die Hälfte der Befragten (64,2 Prozent) massive Auswirkungen auf das Landschaftsbild, Monokulturen (62,6 Prozent) und den vermehrten Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen (61,1 Prozent)“, hat die Acatech-Studie ermittelt. Gewünscht wird das nicht. Denn zum Konfliktpunkt „Grüne Gentech­nik“, bei der die Erbsubstanz der Pflanzen im Labor manipuliert wird, sind die Deutschen mit 57,5 Prozent Ablehnung weiterhin mehrheitlich negativ eingestellt.

Generell finden 70,2 Prozent der befragten Bundesbürger, Deutschland sollte beim Klimaschutz mit gutem Beispiel vorangehen. Dass der Umwelt­schutz eine Einschränkung des Konsums erfordert, meinen sogar 74,4 Prozent der Befragten. Aber nur 40 Prozent sind etwa in der Ernährung zum Fleischverzicht bereit, um eine andere Art der Tierhaltung zu unterstützen.

Debatte auf Augenhöhe

„Wir sehen, dass nachhaltiges Wirtschaften den Deutschen grundsätzlich ein wichtiges Anliegen ist“, kommentiert Tatjana König, Mitglied im Vorstand der Körber-Stiftung, die Befunde. Weniger eindeutig sei das Bild, wenn es um die politische Umsetzung oder persönliche Konsequenzen geht.

„Dass eine Meinungsbildung zur Bioökonomie noch am Anfang steht“, bietet nach Meinung Königs auch „die Chance, die Menschen mitzunehmen, um die enormen Potenziale, aber auch mögliche Nebenwirkungen“ in der Gesellschaft zu diskutieren und zu verhandeln. Tatjana König: „Dafür brauchen wir mehr Wissensvermittlung, aber auch eine Debatte auf Augenhöhe mit denen, die diese Technologien entwickeln.“

Dass die Befragung der 2.000 repräsentativ ausgesuchten Bürger schon im August 2019 stattfand und erst jetzt veröffentlicht wurde, schmälert aus Sicht von Mit-Autor Ortwin Renn nicht die Substanz der Befunde. „Die Einstellungen zum Thema Bioökonomie werden sich im Verlauf der Coronakrise weniger stark wandeln“, erwartet der Direktor des Potsdamer Nachhaltigkeitsinstituts IASS, um hinzuzufügen: „In Bezug auf andere Technikthemen gilt das Gegenteil.“

So hätten in der aktuellen Situation viele Menschen beispielsweise die Möglichkeiten der Digitalisierung noch mehr zu schätzen gelernt. Die 2018 festgestellte deutliche Distanz zur Digitalisierung weicht einer verstärkten Nutzung. Das aktuell zu erfragen, wäre das wirklich spannende TechnikRadar für dieses Jahr gewesen. Das Wissenschaftsbarometer von Wissenschaft im Dialog hat im April eine solche Umfrage hinbekommen, die eine massiv gestiegene Wissenschaftsakzeptanz in der deutschen Bevölkerung messen konnte.

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