Behinderte müssen zurückstecken

Martinsclub bemängelt, dass für Menschen mit Handycap in Bremen strengere Isolationsregeln gelten

„Menschenrechte gelten auch in schweren Zeiten“

Thomas Bretschneider, Vorstand vom Martinsclub Bremen

Träger der Behindertenhilfe in Bremen kritisieren eine ihrer Auffassung nach andauernde Diskriminierung von Menschen mit Beeinträchtigungen in der Coronakrise. „Allerorten sollen Lockerungen die Rückkehr zur Normalität bewirken, aber Menschen mit Beeinträchtigung bleiben außen vor“, mahnte am Dienstag Thomas Bretschneider, Vorstand des Behindertenhilfe-Trägers Martinsclub in Bremen.

So dürften sich Menschen aus verschiedenen Haushalten wieder besuchen, doch „für Bewohner betreuter Wohnformen gelten strengere Regeln“. Ihnen drohe beim Verlassen ihrer Einrichtung eine 14-tägige Quarantäne auf ihrem Zimmer. Zudem gebe es kein Konzept, um Schüler*innen mit Beeinträchtigungen ihr Grundrecht auf Bildung uneingeschränkt zu ermöglichen, führte Bretschneider aus.

Unklar sei auch, warum Tourismus wieder ermöglicht werde, Gruppenreisen behinderter Menschen jedoch verboten blieben: „Das sind nur einige Beispiele für gegenwärtig stattfindende Diskriminierung.“

Menschen mit einer Behinderung hätten den Stempel „Risikogruppe“ aufgedrückt bekommen. Der Schutz dieser Risikogruppen gelte als Maßgabe für alle Anordnungen. Unklar sei aber, auf welcher Rechtsgrundlage darüber entschieden werde, dass der Schutz eines Personenkreises wichtiger sei als dessen Freiheit und Selbstbestimmung. Menschen mit Beeinträchtigung hätten keinen politischen Einfluss, und ihre Stimmen fänden kein Gehör, kritisierte Bretschneider. Klar sei dagegen, wer in der Gesellschaft das Sagen habe: „Flugzeuge müssen fliegen, Autos vom Band laufen, Strände bevölkert werden, und selbstverständlich muss der Fußball wieder rollen.“

Der Martinsclub halte die geltenden Regeln ein, habe sich aber dazu verpflichtet, seinen Klienten die maximale gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Das sei derzeit nicht möglich. Es könne nicht sein, dass eine ohnehin sozial benachteiligte Gruppe noch mehr unter den Auswirkungen der Coronakrise zu leiden habe als der Rest der Bevölkerung. Inklusion sei ein nicht verhandelbares Menschenrecht, erklärte Bretschneider: „Und Menschenrechte gelten auch in schweren Zeiten.“ (epd)