Ein Koch in eienr Restaurantküche.

Das Herz des Alten Wirts: Martin Rubin macht mehr als nur Leberkäse Foto: Florian Bachmeier

Corona und die Gastronomie:Das erste Mahl

Es darf wieder auswärts gegessen werden. Das wird auch allerhöchste Zeit, sagen die Wirtsleute Cornelia und Martin Rubin im oberbayerischen Hundham.

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4.6.2020, 15:05  Uhr

Der Hund heißt Pétrus. Wie der Wein aus Bordeaux. Heute wird er drei Jahre alt. Ein Hund wie ein Sinnbild für den Alten Wirt in Hundham: ­Pétrus – der Name steht für hochpreisige Gastronomie. Zugleich strahlt der Appenzeller eine ordentliche Portion Gemütlichkeit aus. Und man tritt seiner Figur gewiss nicht zu nahe, wenn man ihr abliest: Ihm schmeckt’s hier. Klar, auch Pétrus’ Fressen kommt nicht aus der Dose, sondern direkt aus der Küche des Hauses. Fleischabschnitte zum Beispiel. Pétrus lebt von Resten, aber nur den besten.

„Der Hund hat die Coronazeit auch gemerkt“, sagt Wirtin Cornelia Rubin. „Er hat die Gäste vermisst. Normalerweise macht der hier immer seine Runde und holt sich seine Streicheleinheiten.“ Normalerweise. Normal war hier freilich herzlich wenig in den vergangenen zwei Monaten.

Rund 14.000 Wirtshäuser gibt es in Bayern, je nachdem, was man alles dazurechnet, auch mehr. Am 21. März mussten sie zusperren – auf unbestimmte Zeit. Kaum eine Branche wurde ähnlich hart getroffen wie die Gastronomie. So waren laut Hotel- und Gaststättenverband im Februar in Deutschland gerade einmal 173 Mitarbeiter in Kurzarbeit, im April waren es dann über eine Million.

Freibier zur Wiedereröffnung

Heute Abend geht es nun endlich wieder los. Lokale dürfen zum ersten Mal wieder im Innenbereich öffnen. Bis 22 Uhr und unter strengen Auflagen. Es ist der letzte Montag im Mai. In normalen Zeiten wäre beim Alten Wirt heute Ruhetag. Aber Ruhetage hatten die Rubins in den vergangenen Wochen genug. „Jetzt fahren wir durch“, sagt Cornelia Rubin. Ein Fass Bier haben sie schon bereitgestellt. „Freibier“ heißt es auf der Tafel vor der Tür. Jeder Gast bekommt eine Halbe aus dem Holzfass umsonst. Auf einer anderen Tafel steht: „Faschingsverlängerung – Zutritt nur für Maskierte“. Darunter hat Rubin eine venezianisch anmutende Karnevalsmaske gemalt.

Es gilt noch einiges vorzubereiten. Um es Gästen und Personal leichter zu machen, den vorgeschriebenen Abstand von 1,5 Metern einzuhalten, schafft die Wirtin erst mal Platz in der Mitte des Gastraums. „Der Tisch kommt raus“, sagt sie zu ihrer Auszubildenden Lisa-Marie Völker. „Und bitte die Lampen hochbinden.“ Auch die Blumen müssen von den Tischen, kein Salz, kein Pfeffer, keine Bierfilze. Der Gast soll möglichst wenig anfassen können, was schon ein anderer Gast berührt hat.

Essen mit Abstand Seit dem Wochenende sind bundesweit nach Restaurants auch Beherbergungsbetriebe vom Campingplatz bis zum Fünf-Sterne-Hotel geöffnet. Überall gilt es die Abstandsregeln einzuhalten, Gäste müssen einen Mund-Nase-Schutz tragen, solange sie nicht an ihrem Platz sitzen. Sie sollen ihre Kontaktdaten hinterlassen, damit sie nach einem Corona-Ausbruch erreichbar sind. Nicht überall geöffnet sind Barbetriebe.

Früher Schluss Einzelne Regeln unterscheiden sich je nach Bundesland. In einigen Ländern wie Bayern, Brandenburg, dem Saarland und Berlin müssen Lokale um 22 Uhr bzw. 23 Uhr schließen, in Mecklenburg-Vorpommern ist schon um 21 Uhr Schluss.

Sitzordnung Auch wer mit wem zusammen sitzen darf, unterscheidet sich je nach Bundesland. In Berlin zum Beispiel dürfen sich maximal fünf Personen aus unterschiedlichen Haushalten treffen, in Brandenburg, NRW oder Baden-Württemberg sind es zehn. In vielen Ländern von Bayern bis Bremen gilt dies nur für Angehörige aus maximal zwei Haushalten. (taz)

Am Tisch dürfen die Besucher den Mund-Nasen-Schutz abnehmen, sonst gilt Maskenpflicht. Insgesamt vier Spender mit Desinfektionsmittel hängen jetzt in dem Gasthaus. Jeder Gast muss sich außerdem in eine Liste eintragen: Name, Uhrzeit, Telefonnummer, E-Mail-Adresse … Bei einem Coronafall soll so eine Nachverfolgung der Infektionskette erleichtert werden.

Ein Netz von Einbahnstraßen im Biergarten

Draußen im Biergarten ist mit Bierbänken und Hochbeeten ein Netz von Einbahnstraßen aufgebaut worden. Ausgedruckte Verkehrsschilder weisen den Weg durch den Parcours. „Bitte beachten Sie die Laufrichtung“, steht darunter, „dies dient dem Coronaschutz.“

Cornelia Rubin war gerade mal drei Jahre alt, als sie zu ihrer Mutter gesagt hat: „Ich will so werden wie du.“ Gemeint war: Kellnerin. „Das ist in mir drin.“ Rubin ist jetzt 31, Kärntnerin mit fränkischem Migrationshintergrund, und hat in Österreich schon in den verschiedensten Hotels und Restaurants gearbeitet. Ihr Mann Martin kochte bereits in mehreren Sterne-Restaurants.

Ein Landgasthof.

Traditionslokal: Bis zu diesem Haus kommen sogar Münchner angereist Foto: Florian Bachmeier

Vor fünf Jahren machten sich die beiden selbstständig, eröffneten zunächst in Kärnten ein Restaurant und übernahmen dann 2017 den Alten Wirt im Leitzachtal südlich von München – mit Wirtschaft und Hotelbetrieb. In einem klassischen bayerischen Wirtshaussetting bieten sie nun gehobene Küche an. Statt Schweinsbraten mit ­Packerlsoße auch mal Landhendl vom Wok mit Currysauce und Jasminreis.

Von 100 auf Null an einem Tag

„Es is a Witz, a Schmäh“, sagt Cornelia Rubin, aber sie habe tatsächlich noch bis zum Schluss gedacht, es werde nicht so schlimm kommen. Noch am Freitag, dem 13. März, als Corona schon alles beherrschendes Thema war, als schon klar war, dass ihre bald zwölfjährige Tochter Cecilia am kommenden Montag nicht mehr würde zur Schule gehen dürfen, machten sie im Alten Wirt noch business as usual. Es war der Tag, als der baye­rische Ministerpräsident Markus Söder entrüstet auf einen Zeitungsbericht über geplante Wirts­haus­schließungen reagierte. Eine „absolute Ente“ sei das, sagte Söder, und schloss die Schließung von Gaststätten aus. Vier Tage später verfügte er dann, dass alle Gaststätten in Bayern ab dem nächsten Tag nur noch bis 15 Uhr öffnen dürfen. Noch einmal drei Tage später mussten sie schließen.

Cornelia Rubin, Wirtin

„Da baust dir in drei Jahren einen Betrieb auf – und dann das“

Ihr Reservierungsbuch war voll zu dieser Zeit. Allein 22 Feiern mit jeweils bis zu 60 Leuten wurden dann storniert: Geburtstage, Taufen, Kommunionsfeiern … Auch das Hotel war gut gebucht. Und jetzt? 95 Prozent Verlust. Es sei zum Weinen gewesen, sagt Cornelia Rubin. „Da baust dir in drei Jahren einen Betrieb auf und denkst, so, jetzt ­rocken wir den Laden – und dann das. Das schmeißt di scho hinter.“ Und doch stand für die beiden fest: Unterkriegen lassen wir uns nicht. „Aufgeben“, sagt Martin Rubin, „tust nur einen Brief.“

Ihre vier festangestellten Mitarbeiter schickten die Wirtsleute in Kurzarbeit, den zwei Minijobbern kündigten sie – mit dem Versprechen, sie bei der Wiedereröffnung wieder einzustellen. Und dann stellten sie sich in die Küche – und kochten weiter. „Wir waren froh, dass wir wenigstens Liefer- und Abholservice machen konnten, da waren wir ein bisschen beschäftigt.“ Jeden Tag hatten sie ein zweigängiges Mittagsmenü im Angebot – für 15 Euro, ab 30 Euro frei Haus. Er kochte, sie lieferte. Rentiert hat sich das nicht. „Aber für uns war das Werbung. Und wir haben Kontakt gehabt zu unseren Gästen, waren nicht so einsam unterwegs.“

Doch so wie früher war auch der Kontakt nicht mehr. Stammgäste, die längst schon gute Freunde geworden waren, kamen mit Mundschutz und Schutzbrille, um ihr Essen abzuholen. Mit Handschuhen übergaben sie Cornelia Rubin ein Kuvert mit dem Geld.

Eine Frau steht auf einem Tisch und bindet zwei Lampen in einem Restaurant zusammen.

Auszubildene Lisa-Marie Völker hängt die Lampen aus dem Weg, um dann den Tisch wegzuräumen Foto: Florian Bachmeier

Trotz Lieferservice blieb den Wirtsleuten noch viel Zeit. „Wir sind Workaholics“, sagt der Koch, „und wenn du einen Workaholic auf einmal in Quarantäne steckst, dann flippt der aus.“ Dadurch, dass sie sonst von 7 Uhr morgens bis 2 Uhr nachts arbeiteten, sei die Umstellung schwierig gewesen. „Du musst dich dermaßen krass motivieren, um wieder in die Puschen zu kommen – weil du nicht weißt, wofür.“ Die beiden suchten sich Arbeit: Die Biergartentische haben sie abgeschliffen, die Wände geweißelt, das Haus einer Grundreinigung unterzogen. Und ab und zu zwischendrin haben sie sich tatsächlich auch mal eine Stunde in die Sonne gelegt. Da sind dann die Leute gekommen und haben gesagt: Ihr habt es gut, ihr habt Urlaub.

Es ist drei Uhr nachmittags. Der Verpächter kommt auf einen Kaffee vorbei. Auch so eine der Besonderheiten des Alten Wirts: Das Gasthaus ist nicht in Familienbesitz, gehört auch keiner Brauerei, sondern Thomas Burnhauser, seines Zeichens Filmprofessor im Ruhestand. Burnhauser, ein Mann mit langen grauen Haaren und einem gepflegten Vollbart, hat das geschichtsträchtige Haus 2016 gekauft. Über 600 Jahre ist es alt, das älteste Anwesen im ganzen Tal. Als Kind ist der Münchner schon immer am Wochenende hierher gekommen. Seine Großmutter war mit der damaligen Wirtin befreundet, der Großvater erwarb das Fischereirecht für einige Kilometer der Leitzach. Als Burnhauser dann zufällig mitbekam, dass das Haus zum Verkauf stand, schlug er zu. Er ließ es herrichten, jedes Zimmer bekam nun ein Bad.

Den hinteren Teil des Hauses, wo früher der Stall war, baute er für sich und seine Familie als Wochenenddomizil aus. Für das Wirtshaus selbst suchte er Pächter – und fand Cornelia und Martin Rubin. Die tischten ihm ein Sechs-Gänge-Menü auf, und die Sache war geritzt.

Ein freundlicher Besitzer erlässt die Pacht

Mitte März, als es mit Corona so richtig losging, hat sich Burnhauser hierher aufs Land zurückgezogen. „Ich bin nicht Vater Teresa“, sagt der 60-Jährige zwar. Aber auch: „Das Erste, was ich zu Martin und Cornelia gesagt habe, war: Keine Pacht mehr, bis die Sache vorbei ist. Und zwar nicht gestundet, sondern gestrichen.“ Die Pacht sei zwar eine wichtige Einnahmequelle, aber in einer solchen Krisensituation müsse man zusammenhalten.

An der Wand der Wirtsstube hängt ein Gemälde, das Porträt einer jungen Frau. Hochgestecktes Haar, schwarzes Kleid. Es ist Bertha Burnhauser, die Großmutter. Mit 80 hat sie beim Fliegenfischen noch die meisten Forellen aus der Leitzach gezogen.

Geschosswechsel. Im ersten Stock bereitet Cornelia Rubin gerade die Zimmer für die Wiedereröffnung des Hotelbetriebs vor. Sieben Doppel- und ein Familienzimmer hat der Gasthof. 56 Euro kostet eine Nacht im Doppelzimmer pro Person. Inklusive Frühstück. Im Prospekt werben die Rubins mit den „knarrenden Dielenböden aus Omas Zeiten“, dem „heimeligen Flair“ und den „kuscheligen Betten“. Doch die Prospekte hat Rubin weggeräumt. Zum Schutz vor dem Virus. Auf den Tischen in den Zimmern liegen nur noch Schreibblock und Stift. Die erste Seite des Blocks könne man ja nach jedem Gast abreißen und den Kugelschreiber desinfizieren.

Zimmer 7, jetzt kommt das Lieblingsgerät der Wirtin zum Einsatz: ein Dampfstrahler – dessen Anschaffung sich in der Coronakrise als Glücksgriff erweist. Mit 190 Grad und 9 bar reinigt und desinfiziert das Gerät so gut wie alle Materialien und Oberflächen. Die „umweltfreundliche Reinigungsrevolution“, verspricht der Hersteller.

Für das erste Wochenende, an dem in Hotels auch wieder Touristen absteigen dürfen, ist der Alte Wirt schon ausgebucht. Aber auch für Sommer und Herbst kommen jetzt täglich wieder Reservierungen rein, sogar schon für nächstes Jahr. „Die Leute sind aber noch vorsichtig“, erzählt Rubin, „und fragen immer genau nach den Stornogebühren“.

Ein eFrau desinfiziert ein Hotelzimmer.

Die Chefin Cornelia Rubin macht eines der Gästezimmer fertig Foto: Florian Bachmeier

Während Lisa-Marie Völker, die Auszubildende, vor dem Küchenfenster schon mal das Fass anzapft, bereitet Martin Rubin drinnen die Mürbeteigplätzchen für das Erdbeerdessert vor. „Liebe … Lebe … Lache …“ steht auf dem Rücken seiner Kochjacke. Pétrus liegt vor der Küchentür und schaut dem Herrchen müde bei der Arbeit zu. „Die Oma hat immer in der Küche die Hühner umgebracht“, erzählt Rubin und schiebt die Plätzchen in den Ofen. Er könnte das nicht.

Der 36-Jährige trägt Ohrringe und opulente Tätowierungen: Auf dem linken Unterarm ist eine Waldlandschaft aus der Kärntner Heimat zu sehen. Auch die Familie soll da drauf. Doch Corona machte auch die Tattoo-Studios dicht, so harrt das Werk noch seiner Fertigstellung. Rubins Kollege schält gerade den Spargel. Aus den Lautsprechern bummert Lounge-House-Musik. Der blanchierte Chicorée für das Saiblingsfilet ist jetzt auch fertig. Aus verschiedenen Zutaten etwas Neues zaubern zu können, sagt Rubin, das sei es, was ihn an seinem Beruf so begeistert. Weshalb er auch in der tiefsten Coronakrise nie auf die Idee käme, etwas anderes zu machen.

„Wer Österreich genießen will, der kann das auch in Bayern tun.“ Mit dem Spruch irritiert Ministerpräsident Söder jüngst das Nachbarland. In Hundham trifft er tatsächlich zu. Irgendwie.

Alpenküche, etwas anders definiert

Rubin kocht ausschließlich mit frischen Zutaten. Am besten mit regionalen. Wobei der Koch in puncto Regionalität durchaus eine sympathisch-eigenwillige Definition hat. „Alpenküche“ bietet er seinen Gästen im Alten Wirt. Und Alpenküche, das schließt für Rubin alle Länder ein, die eben an die Alpen grenzen. So kommt es, dass der Gast auf Wunsch und Vorbestellung hier in Hundham auch bretonische Fischspezialitäten vorgesetzt bekommt. Dass die Fische tags zuvor noch im Meer geschwommen sind, versteht sich von selbst.

Einmal war ein Kritiker der Süddeutschen Zeitung hier. Die Rubins merkten es erst hinterher, als der Mann sich in seiner Restaurantkritik über die Hartkäse-Kartoffelcreme mit Kräutern beklagte: Die sei so mächtig, „dass man sich fast schon überlegt, den Hauptgang wieder abzubestellen. Dann schmeckt sie auch noch so gut, dass man sie restlos aufisst … Man hat’s nicht leicht im Alten Wirt!“ Auch den übrigen Zeilen der Besprechung war zu entnehmen, dass der Koch seinem Gast kulinarisch ganz ordentlich den Kopf verdreht hatte. Seither pilgern die Gäste aus dem 45 Autominuten entfernten München nach Hundham. An Silvester gab es sogar Standing Ovations für das Menü.

Natürlich hat die Qualität auch ihren Preis. Wer etwa Rubins berühmtes „Tatar vom bayerischen Ox“ kosten möchte, muss allein für die Vorspeise 18,90 Euro einkalkulieren.

Um 18.05 Uhr kommen die ersten Gäste. Zehn Minuten später rattert in der Küche ein Bestellzettel aus dem kleinen schwarzen Drucker: Grießnockerlsuppe, einmal Leber mit Kartoffelpüree, Curcuma-Birnen und Röstzwiebel und dann noch Brennnesselknödel mit Salat.

Heuer wollten sie eigentlich noch die Remise hinterm Haus zu einem Veranstaltungssaal umbauen, dazu noch eine Bar eröffnen – schon lange ein Traum von Martin Rubin, der im vergangenen Jahr eine Zusatzausbildung zum Bartender gemacht hat. Saal und Bar hat das Virus nun auf dem Gewissen. Immerhin kamen die Rubins durch die Krise, ohne weitere Kredite aufnehmen zu müssen – auch dank der erlassenen Pacht und den zügig ausgezahlten Soforthilfen von Bund und Freistaat. Aber lange hätten sie nicht mehr durchgehalten. Drei, vier Wochen vielleicht noch, sagt der Wirt, dann hätte man gar nicht mehr aufsperren brauchen.

Die Grießnockerlsuppe ist fertig. Serviert wird sie mit frischer Gemüseeinlage in einem Weckglas. Wichtig: Frühlingszwiebeln nehmen, keinen Schnittlauch, der bleibt nur zwischen den Zähnen hängen. Der Koch läutet die Glocke. Lisa-Marie Völker ist zur Stelle, holt das Süppchen und bringt es zum Tisch. Währenddessen macht sich Rubin an die Knödel, kocht sie im Wasser, um sie danach in Butter leicht anzubraten. Sein Kollege bereitet indes den Salat zu. „Der war grandios“, wird der Gast die Kellnerin später ausrichten lassen, „da war ja wirklich alles drin.“

Während der Arbeit müssen die Bedienungen jetzt ständig einen Mundschutz tragen. Eine starke Beeinträchtigung, findet die junge Frau. Vieles, was sonst im Alten Wirt Usus ist, ist derzeit nicht mehr erlaubt – zum Beispiel, dem Gast nachzuschenken. „Sonst haben wir uns auch immer gern mit den Gästen unterhalten“, erzählt Völker. „Das geht jetzt gar nicht mehr. Ich fühle mich wie so ein Roboter, der nur schnell das Essen hinbringt, und dann ist er gleich wieder weg.“

Eigentlich will die 21-Jährige Köchin werden. Zur Ausbildung gehört jedoch auch das Bedienen, deshalb arbeitet Völker derzeit als Kellnerin. Wenn sie denn arbeitet. Knapp zwei Monate war sie in Kurzarbeit. „Die erste Woche hat man sich ja noch gefreut“, erzählt Völker: „Hey, ’ne Woche Urlaub. In der zweiten Woche hat man den Bezug zur Zeit verloren. Und dann fällt man in ein Loch.“

„Eine Katastrophe“

Kurz vor 22 Uhr – gerade noch rechtzeitig – verlässt der letzte Gast das Lokal. Zehn Halbe Freibier haben die Rubins an diesem Abend ausgeschenkt. Sechs Tische waren besetzt. „Katastrophal“, sagt Cornelia Rubin. „Das hätten wir allein machen können, da hätten wir gar kein Personal gebraucht.“ Doch schon ein paar Tage später, am ersten Samstag nach der Wiedereröffnung, wird das Restaurant fast wieder voll sein, die Wirtin von Aufbruchstimmung sprechen.

Und was, wenn im Herbst die zweite Welle kommt, wenn es erneut einen Lockdown gibt? Martin Rubin schüttelt den Kopf. „Dann sagt jeder: Na, schaff’ma ned. Niemand kann noch mal zwei solche Monate überleben.“ Pétrus hat sich inzwischen an die Rezeption verzogen.

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