Große Freude mit alten Computern

Der Verein Labdoo richtet gebrauchte Laptops her und verschickt sie an Schulen in aller Welt. Seit Corona sind die Spenden gefragt wie nie – vor allem auch in Deutschland

Home­schooling-Alltag im US-Staat Florida, Ende Mai: In dieser Familie gibt es ausreichend Laptops Foto: Maria Alejandra Cardona/reuters

Von Barbara Oertel

Das hätte sich der Mühlheimer Ralf Hamm vor einigen Monaten wohl nicht träumen lassen: Dass er noch einmal zu einem wichtigen Entwicklungshelfer im eigenen Land werden würde – zumindest seit Corona. Seit Jahren verhilft er mit seinem Verein Labdoo vor allem Schulen, aber auch Heimen und anderen Jugendprojekten rund um den Globus mit kostenlosen Rechnern, Laptops, E-Book-Readern und Tablets zu technischer Ausstattung. Und die macht sich jetzt, in Zeiten der Coronapandemie, besonders bezahlt (siehe Text links). Der Handlungsbedarf ist aber gleichzeitig gestiegen – nicht zuletzt auch in Deutschland. Zwei bis drei Anträge erreichen Hamm jeden Tag von einer deutschen Schule. Mittlerweile liefert sein Verein weit mehr Geräte hierzulande denn im Rest der Welt aus.

Doch der Reihe nach. Alles begann 2012. Da stieß der heute 61-Jährige, der im ersten Leben als selbständiger Unternehmer im IT-Bereich seine Brötchen verdient hatte, auf Presseberichte über ein gemeinnütziges Hilfsprojekt namens Labdoo in den USA. Das hatte dort zwei Jahre zuvor seine Arbeit aufgenommen. Hamm gründete als Grasroot-Initiative einen Ableger in Deutschland. 2013 erfolgte die Vereinsgründung, um auch Spendengelder, wenngleich in überschaubarem Ausmaß, akquirieren zu können. Mittlerweile gibt es weitere Sektionen in Spanien und der Schweiz.

Das Prinzip ist einfach: Der Verein sammelt ungenutzte, gebrauchte und ausgemusterte Geräte bei Betrieben oder Privatpersonen. Diese werden dann wieder aufbereitet und mit Lubuntu (einem Linux-Betriebssystem) sowie lizensfreier Lernsoftware ausgestattet. Bildungseinrichtungen, die digital aufrüsten wollen bzw. müssen, können einen Antrag stellen und werden dann beliefert – wie schnell, hängt davon ab, was das Vorratslager so hergibt.

Insgesamt sind seit Projektbeginn weltweit bislang 23.192 Spenden zu verzeichnen, von denen 558.022 AnwenderInnen an 1.790 Schulen in 137 Ländern profitiert haben. 15 Prozent der Zuwendungen bleiben in Deutschland.

Logistisch wäre all das gar nicht zu stemmen, gebe es nicht zahlreiche HelferInnen. Weltweit packen rund 4.000 Engagierte mit an, in Deutschland beläuft sich ihre Zahl auf 300 bis 400 – Tendenz steigend. Dabei können sich die EhrenamtlerInnen auf ganz unterschiedliche Art und Weise nützlich machen. Als „Jäger und Sammler“ in einer Annahmestelle oder in einem sogenannten Labdoo Hub – eine Art Knotenpunkt, wo Tätigkeiten wie beispielsweise Aufbereitung oder Recycling der Geräte gebündelt werden.

Wem das Technische eher fern liegt, kann FlugpatIn werden – will heißen: Wenn er/sie in ein Land reist, wo Bedarf herrscht, fliegen die aufgehübschten Endnutzungsgeräte quasi als Beifang mit. Das hat den angenehmen Nebeneffekt, dass kein zusätzlicher Aufwand für den Transport betrieben werden muss, der in der CO2-Bilanz negativ zu Buche schlagen würde.

Nicht selten nehmen FlugpatInnen auch mal ein defektes Gerät wieder mit, das dann entweder repariert und wieder zurückgeschickt oder fachgerecht entsorgt wird. Über seine MitstreiterInnen weiß Hamm auch die eine oder andere ungewöhnliche Geschichte zu erzählen. So von einer 75-jährigen Rentnerin, die regelmäßig dabei hilft, Geräte technisch wieder fit zu machen. Und da gibt es die 85-jährige Nonne aus einem Kloster in Leverkusen, die 35 Laptops nach Afrika beförderte. „Wie die Frau das geschafft hat, ist mir ein Rätsel. Aber sie hat es geschafft“, sagt Hamm.

Seit Projektbeginn haben 1.790 Schulen in 137 Ländern dank Labdoo digitale Geräte erhalten

Seit dem Ausbruch der Coronapandemie hat sich auch bei ihm so einiges geändert. An die Arbeit im Homeoffice musste er sich zwar nicht gewöhnen, da er seinen Verein ohnehin von seiner Privatwohnung aus managt. Neu jedoch ist, dass jetzt wegen Corona die Lieferketten von Labdoo ins Ausland komplett ­zusammengebrochen sind – sieht man einmal von einigen Fällen ab, wo die Ware auf dem Seeweg in einem Schiffscontainer an ihr Ziel befördert werden konnte.

Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach Geräten in Deutschland rasant an. Seit 2012 sind hier 2.938 IT-Spenden beantragt und 2.418 davon ausgeliefert worden, 530 warteten noch auf Bearbeitung. Seit Ausbruch der Pandemie im März sind bis Mitte Juni bereits 819 Geräte beantragt und davon 458 an die Empfänger geschickt worden. Mittlerweile hat sich das Verhältnis von 15 zu 85 Prozent zugunsten Deutschlands umgekehrt. Und die Bedarfe könnten noch erheblich ansteigen, glaubt Hamm. Dabei könnte noch viel mehr Schulen bzw. Familien beim Homeschooling geholfen werden. Auf rund 20 Millionen schätzt er die Anzahl von Laptops, PCs oder Tablets, die in Deutschland ungenutzt verstauben.

Besonders freut sich Hamm über eine gelungene Aktion für eine Gehörlosenschule in Düsseldorf. Für den Unterricht in Gebärdensprache ist ein optischer Kontakt zwischen Lehrpersonal und SchülerInnen unerlässlich. Doch die technischen Voraussetzungen dafür fehlten – Homeschooling war nicht möglich. Seit Kurzem ist die Schule dank Labdoo jedoch mit Laptops versorgt. Jede/r der 200 SchülerInnen hat jetzt ein eigenes Gerät. „Das war“, sagt Hamm „ein toller Moment.“

Mehr Infos unter www.labdoo.de