Demokratiedefizit in Kiel: Abstimmung nur analog

Weil ein Gesetz über Online-Abstimmungen seit Jahren aussteht, verklagt eine Ini Schleswig-Holsteins Landesregierung.

Eine Frau unterschriebt auf einer Abstimmungsliste

Ohne Pandemie geht Demokratie leichter: Unterschriften sammeln ist schwierig in Coronazeiten Foto: Angelika Warmuth/dpa

KIEL taz | Im Netz abstimmen über Volksinitiativen oder Volksbegehren – in Schleswig-Holstein geht das seit 2016. Allerdings nur theoretisch: Denn die Umsetzung lässt auf sich warten. Jetzt klagt eine Gruppe, die sich in ihren Rechten beschnitten sieht, gegen das Land. Denn die Zeit dränge, fürchtet Reinhard Knof, Vertrauensperson der „Volksinitiative zur Weiterentwicklung der Energiewende“.

Deren Ziel ist ein Gesetz, das den Einsatz fossiler Techniken erschweren soll – etwa, indem Land und Kommunen keine Grundstücke für Pipelines oder Bohrungen zur Verfügung stellen dürfen. „Wir wollen die Weichen im Land jetzt richtig stellen“, sagt Knof. Auch die Wirtschaft wäre froh über klare Regeln, glaubt er. Doch so lange Abstandsregeln und Versammlungsverbote gelten, sind Straßensammlungen schwierig.

Damit die Gruppe dennoch loslegen kann, würde sie gern online um Stimmen werben und sie rechtsverbindlich sammeln. Das „Volksabstimmungsgesetz“, das der Kieler Landtag 2016 beschloss, erlaubt das. Damit ist Schleswig-Holstein weiter als andere Bundesländer, in denen bisher nur die Unterschrift auf Papier gilt.

Allerdings gab es 2017 einen Regierungswechsel in Kiel, und seither wird „die direkte Demokratie nach Möglichkeit torpediert“, sagt Knof. Die Volksinitiative hat nun beim Landgericht Klage gegen die Regierung eingereicht.

Stückchenweise Übergabe

Zuständig für die Umsetzung des Gesetzes ist das CDU-geführte Innenministerium. Das hat den Auftrag, eine entsprechende Plattform namens „e-Parti“ zu schaffen, an die landeseigene IT-Firma Dataport weitergegeben – stückchenweise. 2017 wünschte sich das Ministerium erst nur „Beratungsleistungen im Kontext der digitalen Volksinitiative“, so heißt es in der Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage des SSW-Abgeordneten Flemming Meyer.

Mitte 2018 gab es einen Folgeauftrag, nun ging es um „Unterstützung bei Projekt-, Anforderungs- und Testmanagement“ sowie „Entwicklungsleistungen“ für e-Parti. Dataport war der Wunsch Befehl: „Der Auftrag für eine erste Version wurde im Jahr 2019 abgeschlossen“, sagt Sprecherin Britta Heinrich.

Allerdings wurde die Plattform nicht freigeschaltet, stattdessen vergab das Ministerium im März 2020 einen dritten Auftrag an Dataport, diesmal für „Wartung und Weiterentwicklung“ der Software. Das Ministerium begründet das weitschweifig: „Testungen der einzelnen Verfahrensschritte“ seien erforderlich, die unter anderem den Start einer Initiative und das abschließende „Einreichen beim Landtagspräsidenten“ betreffen, auch diverse Prüfungen von Beteiligungsrechten stünden noch aus, auch weitere, „bislang offene Fragestellungen konnten nicht abschließend geklärt werden“.

Doch geht es wirklich um technische Probleme? Auf die Frage, bis wann Dataport fertig sein könnte, antwortet Sprecherin Heinrich: „Der Zeitrahmen für ein Projekt wie dieses ist immer abhängig von den konkreten Anforderungen.“ Aktuell lägen drei Varianten vor, und „wir können mit der Umsetzung beginnen, sobald der Auftrag dazu bei uns eingeht“.

„Bei uns herrscht Unzufriedenheit“

Dass es nicht so schnell vorangeht, wie es wünschenswert sei, findet auch der SSW, der im Ministerium nachfragte: „Die Antwort hat uns keineswegs zufriedengestellt“, sagt Per Dittrich, Sprecher der Partei. Die Klage könne er nachvollziehen: „Bei uns herrscht auch Unzufriedenheit, wir bleiben an dem Thema dran.“

Wie schwierig es zurzeit ist, Stimmen zu sammeln, hat Reinhard Knof bei einem anderen Volksbegehren festgestellt, für das er ebenfalls als Vertrauensperson auftritt. Die „Initiative zum Schutz des Wassers“ will ein Fracking-Verbot auf Landesebene durchsetzen. Der Lockdown fiel ausgerechnet in die Abschlussphase der Unterschriftensammlung. „Corona hat geschadet“, sagt Knof, „allein, weil wir uns nicht treffen und die Listen prüfen konnten.“

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