Vorwürfe gegen Verkehrsminister Scheuer: Halbe Milliarde Euro Wahlgeschenk

Andreas Scheuer (CSU) hat ohne Ausschreibung München als Sitz für das Zentrum für Mobilität ausgewählt. Die Grünen fordern eine neue Vergabe.

Andreas Scheuer telefoniert hinter den Buchstaben CSU.

Verkehrsminister Andreas Scheuer vor der Parteizentrale der CSU in München Foto: Falk Heller/imago

BERLIN taz | Die Grünen fordern, dass die Standortentscheidung von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) für das Großprojekt Zentrum für Mobilität neu aufgerollt wird. Scheuer hatte ohne Prüfung anderer Standorte der Stadt München den Zuschlag für das Projekt mit einem Finanzvolumen von einer halben Milliarde Euro gegeben – obwohl auch andere Städte die vom Ministerium aufgestellten Auswahlkriterien erfüllen. Das geht aus der Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Frage des grünen Bundestagsabgeordneten Sven-Christian Kindler hervor.

In dem neuen Zentrum sollen die Themen Mobilität und Digitalisierung verbunden werden. In Werkstätten und auf einem Praxiscampus soll etwa das autonome Fahren von Autos erforscht werden. Pikant: Scheuer hatte die Standortwahl München kurz vor den bayrischen Kommunalwahlen im März bekannt gegeben.

Der CSU-Politiker steht öffentlich und innerhalb seiner Partei stark unter Druck. An die Bundesregierung werden Schadenersatzforderungen von mehr als einer halben Milliarde Euro gestellt, weil Scheuer verfrüht Verträge für die Pkw-Ausländermaut unterschrieb, die der Europäische Gerichtshof kassiert hat. Das prüft zurzeit ein Bundestagsuntersuchungsausschuss. Über den Sitz für das Zentrum für Mobilität habe das Verkehrsministerium „im eigenen pflichtgemäßen Ermessen“ entscheiden können, heißt es in der Antwort aus dem Ministerium an Kindler. Die Durchführung eines Standort- und Konzeptwettbewerbs sei nicht erforderlich gewesen. „Somit mussten andere Regionen nicht in einem formellen Verfahren auf ihre Eignung anhand der für die Auswahl von München entscheidenden Gesichtspunkte (Nähe zu Testfeldern, Infrastruktur, Wissenschaftslandschaft etc.) untersucht werden“, heißt es.

Kindler kritisiert, dass Scheuer zwar Kriterien für die Standortwahl aufgestellt hat. „Aber schlussendlich bewertete er keine andere Region als München nach diesen Kriterien“, sagt er. „Zum Beispiel gibt es auch in Wolfsburg, Aachen, Berlin, Düsseldorf, Leipzig, Hamburg, Frankfurt, Braunschweig oder Dresden digitale Testfelder, eine starke Wissenschaftslandschaft und eine gute Verkehrsinfrastruktur.“ Aber andere Forschungsinstitute und Regionen wurden durch das Verkehrsministerium weder angefragt noch objektiv bewertet. „Die von Minister Scheuer vorgetragenen Kriterien waren Feigenblätter für seine von Anfang an feststehende Entscheidung, dem Standort München eine halbe Milliarde Euro zu geben“, sagt Kindler.

Noch sind die Haushaltsmittel für das Zentrum vom Bundestag nicht bewilligt

Finanzierung noch nicht beschlossen

Finanziert werden soll das Projekt aus dem Bundeshaushalt. Noch sind die Haushaltsmittel aber nicht bewilligt. Die Grünen befürworten den Aufbau eines Zentrums für Mobilität, drängen aber auf eine objektive Standortauswahl. Sie fordern, dass kein Cent für das Zentrum fließt, bevor die stattgefunden hat. Dazu soll Scheuer einen unabhängigen wissenschaftlichen Beirat einsetzen, fordert Kindler.

Die Grünen kritisieren auch an anderer Stelle die Bevorzugung Bayerns durch das CSU-geführte Bundesverkehrsministerium. So sind von den 1,6 Milliarden Euro, die das Ministerium zwischen 2014 und 2018 für Fernstraßen vergeben konnte, mit 551 Millionen Euro unverhältnismäßig viele Mittel nach Bayern geflossen. Auch bei teuren Feierlichkeiten zu Spatenstichen für Straßenbauprojekte gibt es eine auffällige Konzentration im Süden.

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