Fehlt nur noch die Zielscheibe

Hakan Taş ist Ziel einer Hasskampagne der Berliner AfD im Internet. Der Linkenpolitiker will nun gegen das Hetzvideo klagen

Hakan Taş Foto: F.: Thilo Rückeis/imago

Von Gareth Joswig

„Die AfD ist dafür verantwortlich, wenn mir in den nächsten Tagen etwas passiert“, sagt der Linken-Politiker Hakan Taş. Seit Jahren wird das Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses von deutschen Neonazis und türkischen Faschisten bedroht und angegriffen. Er ist den Hass also gewohnt. Nicht umsonst steht seine Wohnung unter Objektschutz, wie Taş sagt.

Seit Donnerstag habe der Hass allerdings noch einmal deutlich zugenommen – da hat die AfD Berlin ein eigens erstelltes Propagandavideo gegen Taş auf ihre Facebook-Seite gestellt. Seitdem bekomme er „Hasspost ohne Ende“, berichtet Taş.

„Es ist wohl ein sehr seltener Vorgang, dass ein Politiker dermaßen als Freiwild dargestellt wird“, sagt Taş. „Es fällt mir schwer, nicht daran zu glauben, dass dieses aufschäumende Verhalten der AfD nichts mit meiner Migrationsgeschichte zu tun hat.“

Tatsächlich ist das Video ein Lehrstück an Hetze und insinuiert mit perfider Stimmlage, dass es eine Zweiklassenjustiz gäbe im rot-rot-grün regierten Berlin. So sei Taş nach einem Verkehrsunfall unter Alkoholeinfluss und anschließender Fahrerflucht anders behandelt worden als normale Bürger:innen. Das ist allerdings mitnichten so: Taş bezeichnete seine Alkoholfahrt von Ende 2018 von Anfang an als Fehler, musste seinen Führerschein abgeben und beantragte von sich aus, seine Immunität aufzuheben. Aus der Innenpolitik zog er sich zurück.

Im Video behauptete die AfD, dass Taş seinen Führerschein behalten durfte, die Fahrt folgenlos blieb, dazu hat sie noch eine Verfolgungsjagd mit der Polizei erfunden. Die gab es allerdings nie und tatsächlich musste Taş 5.600 Euro Strafe zahlen. „Die AfD spielt ein perfides Spiel und stellt mich vor ihrer blutrünstigen Anhängerschaft als Zielscheibe dar“, sagt Taş, „dabei werden Zusammenhänge verkehrt und Unwahrheiten verbreitet. Ich habe für meinen großen Fehler gebüßt, mich entschuldigt, alle Kosten und die Strafen bezahlt und meinen Führerschein länger als ein Jahr abgegeben.“

Auch prangert das Video an, dass Taş „Mehrfachtäter“ sei – er habe sich nämlich auch an einer Blockade gegen eine „genehmigte“ (sic!) AfD-Demo beteiligt. Damit meint die AfD eine erfolgreiche Sitzblockade gegen einen Protest der sogenannten Lebensschützer:innen im Februar 2018. Tatsächlich hat Taş hierfür auch eine Geldbuße gezahlt; einmalig dürfte dieser Vorgange allerdings nicht sein, wie das Video der AfD behauptet. Taş sagt dazu: „Die Sitzblockade würde ich jederzeit wiederholen. Wenn Rassisten Frauenrechte versuchen für ihre niederen Zwecke zu missbrauchen, dann stelle ich mich dem hingebungsvoll in den Weg.“

Die AfD hetzt in dem Propagandavideo mit falschen Bildern, ohne diese als Symbolvideos zu kennzeichnen

Dabei hetzt die AfD in dem Propagandavideo mit falschen Bildern, ohne diese als Symbolvideos zu kennzeichnen, und setzt Taş so den Hasskommentaren zum Fraß vor. Eigentlich fehlt im Video nur noch eine Zielscheibe auf dem Kopf von Taş. Die AfD-Fans verstehen die Botschaft aber auch so. Das Video wurde unzählige Male geteilt. „Top-Fan“ Kyrill L. etwa schreibt drunter: „So lange solche da noch nicht aus dem Amt geschlagen werden, wird sich auch nichts ändern. Die Gesetze bringen hier keinen weiter!!!!!“ Ein anderer schreibt, er dürfe nicht schreiben, was er denkt, sonst würde er wieder drei Tage auf Facebook gesperrt.

Taş will eine Unterlassungsklage gegen die AfD einreichen und Schadensersatzansprüche geltend macht, wie er der taz am Freitag sagte.

Thomas Barthel, Sprecher der Linksfraktion, sagte der taz: „Das ist absolut unterirdisch und unwahr, was da verbreitet wird. Hakan Taş hat seinen Fehler eingesehen, hat von sich aus den Führerschein abgegeben, nach dem Unfall selbst beantragt, seine Immunität aufzuheben. Er hat einen Strafbefehl bekommen wie jeder andere Bürger auch.“