Ein patentiertes Stück Kultur

SOMMER IM MUSEUM (VI) Das 24-Stunden-Museum in Celle strahlt nachts als Licht-Installation und Leuchttisch für Kunstwerke. Wer nicht aufpasst, landet im benachbarten Volkskundemuseum

In einem Video voller skurriler Erklärungen sagt der Künstler: „Na, irgendwas muss ja jeder machen“

Warum nicht den Sommer nutzen, um aufzuspüren, was die Peripherie oder – gut versteckt – die eigene Stadt an Kultur zu bieten hat? Wir stellen in dieser Serie einige Museen, Gedenkorte und Initiativen vor, die zu besuchen sich lohnen könnte.

Es gibt Tausende von Museen und das seit Jahrhunderten. Aber dieses hier ist seit 1998 unter Nummer 39854828 in München als Patent eingetragen: Als erstes 24-Stunden-Kunstmuseum der Welt.

Das bedeutet, dass, wenn die Türen um 17 Uhr schließen, die Möglichkeiten Kunst zu gucken, nicht vorbei sind. Denn mit Einbruch der Dämmerung erstrahlt der gläserne Zehn-Meter-Kubus des Foyers in Grün, Orange oder Pink und wechselt zu jeder vollen Stunde die Farbe. Das ist direkt gegenüber dem alten Residenz-Schloss in Celle auch ein Bekenntnis zur Moderne.

Im Gegenzug ist tagsüber im Inneren ein artifizieller Nachthimmel zu sehen: Das Museum verfügt über einen von drei in Deutschland fest installierten, poetischen Lichträumen von Otto Piene. Der hatte 1958 zusammen mit Heinz Mack die Gruppe ZERO gegründet, die bis 1966 die lichtkinetische Kunst propagierte. Von Piene sind zudem die perforierten Aluminiumplatten eines 43 Meter langen Lichtfrieses für den Nachtanblick von außen.

Lichtkunst ist einer der Schwerpunkte der Stiftung Kunstmuseum Celle und ihrer Sammlung, die wesentlich aus der Kollektion von Robert Simon besteht. Ohne den umtriebigen Betriebswirt und Marketing-Fachmann, hannoverschen Galeristen, Sammler und ehrenamtlichen Museumsleiter in Celle gäbe es das Museum nicht.

Ein anderes Schwergewicht seiner Sammlung ist die kalkuliert wilde Malerei von Dieter Krieg (1937–2005). Die derzeit laufende Sonderausstellung zeigt 25 großformatige Werke sowie übermalte Fotografien des ehemaligen Kunstprofessors an der Düsseldorfer Akademie. Aber auch die Hannoversche Moderne der 20er Jahre und die Künstler der Braunschweiger Akademie sind in dieser sehr persönlich zusammengestellten Sammlung vertreten.

Ein weiterer Schwerpunkt sind die vertrackten Denkstücke des Totalkunst-Künstlers Timm Ulrichs (*1940). Ihm ist derzeit eine kleine Kabinettausstellung gewidmet, in der der „goldene Schnitt“ an einem Brotlaib verdeutlicht wird oder zu sehen ist, was übrig bleibt, wenn Bilder „aus dem Rahmen fallen“.

Durchschreitet man in Gedanken versunken eine nahe Tür, steht man unvermittelt im Flett, der offenen Wohnküche eines alten Bauernhofes. Das ist dann aber keine Großinstallation, das ist der immer mögliche Übergang zu den Gebäuden des Bomann-Museums, an das das Kunstmuseum angebaut wurde.

Doch keine der Vitrinen im ehrwürdigen volkskundlichen Museum von Celle mit seinen Sammlungen zu Stadtgeschichte und Lüneburger Heide sind so sinister wie die kleinen Welten in den Schaukästen oben unter dem Glasdach des Kunstmuseums. Hier sind präzise gebaute Miniatur-Bühnenbilder zu entdecken, in denen detailliert dargestellte Menschen an schmuddeligen Ecken merkwürdigen Tätigkeiten nachgehen.

So zeigt der in Berlin lebende Künstler Peter Basseler eine „Krokodilfärberei“, bei der ein exaltierter Mann einen sich angewidert schüttelnden Alligator aus einem blauen Farbbad zieht – durchs Oberlicht beobachtet von einer rätselhaften Schattenfigur. In einem Video voller skurriler Erklärungen sagt der Künstler: „Na, irgendwas muss ja jeder machen.“ HAJO SCHIFF

Kunstmuseum Celle, Schlossplatz 7, tags: Di–So 10 bis 17 Uhr. Nachts täglich von 17 bis 10 Uhr: Internationale Lichtkunst. Sonderausstellung: Dieter Krieg – „Prachtstücke“ bis 07. Oktober. Freitags Eintritt frei