Einkommen in Spanien: Knapp unter dem Mindestlohn

Die Corona-Pandemie verschärft die Armut in Spanien. Die Regierung will gegensteuern – und diese Woche ein Mindesteinkommen beschließen.

eine Warteschlange, die Menschen tragen Mundschutz

Vor einer Essensausgabe in Madrid, im Mai 2020 Foto: Susana Vera/reuters

MADRID taz | „Es wird ein Mindesteinkommen geben, denn wir sind eines der Länder mit der größten Ungleichheit in der Europäischen Union“, lautete eines der wichtigsten Wahlversprechen von Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez vergangenen Winter. Jetzt ist es so weit. Noch diese Woche wird die sozialistisch-linksalternative Koalitionsregierung ein entsprechendes Gesetz verabschieden. Sollte es für die Kabinettssitzung am Dienstag nicht reichen, wird noch vor dem Wochenende eine Sondersitzung einberufen.

Auch wenn am Montag noch unter Hochdruck an kleineren Verfahrensdetails gearbeitet wurde, steht das Gesetz im Großen und Ganzen. Während die spanische Presse aus Entwürfen zitiert, gab der Minister für Inklusion, Soziale Sicherheit und Migration, der Sozialist José Luis Escrivá, zwei Tageszeitungen ein Interview, in dem er erklärte, was er zusammen mit dem stellvertretenden Regierungschef, dem linksalternativen Pablo Iglesias, angesichts der Covid-19-Krise schneller ausgearbeitet hat als ursprünglich geplant.

„Spanien hat ein erhebliches Defizit, wenn es um die öffentliche Umverteilungspolitik geht“, sagt Escrivá und verweist auf die Statistiken. 21,5 Prozent der 47 Millionen Spanier lebten bereits vor der Covid-19-Krise in Armut oder an der Armutsgrenze. In der Eurozone sind es 17 Prozent. Lange Schlangen an Sozialküchen und Lebensmittelausgaben durch spontan entstandene Hilfskomitees überall im Lande zeigen, dass der Lockdown dieses Problem noch verschärft hat.

Das neue Mindesteinkommen richtet sich an 850.000 Haushalte mit rund 2,3 Millionen Mitgliedern. Das neue Gesetz klassifiziert die bedürftigen Haushalte in 14 Gruppen, je nach Anteil der Erwachsenen und Kinder, und legt das entsprechende Mindesteinkommen fest. Wer dies nicht erreicht, erhält die Differenz vom Staat.

Bis zu 1.015 Euro monatlich

Alleinstehende haben ein Recht auf mindestens 461 Euro im Monat. Das ist knapp unter dem, was Rentner erhalten, die nie eingezahlt haben. Das Existenzminimum für Lebensgemeinschaften aus Erwachsenen und Kindern wird auf bis zu 1.015 Euro monatlich festgelegt, knapp weniger als der gesetzliche Mindestlohn. Wer die Hilfe beantragt, muss mindestens 21 Jahre alt sein und sich vor drei Jahren vom Elternhaus emanzipiert haben. Obergrenze sind 65 Jahre. Ab dann gibt es Rente, auch für die, die nicht eingezahlt haben.

„Das Mindesteinkommen wird 75 Prozent der armen Haushalte aus der Armut holen. Sie werden dank der Hilfe ein Niveau erreichen, dass in manchen Fällen noch immer als Armut angesehen werden muss, aber es ist keine extreme Armut mehr“, erklärt Minister José Luis Escrivá.

Beantragt werden kann die neue Hilfe bereits ab Juni. Ausgezahlt wird sie von der staatlichen Sozialversicherung, die insgesamt drei Milliarden Euro jährlich dafür veranschlagt. Wer das Glück hat, in einer Region zu leben, die ebenfalls ein Hilfsprogramm für die Existenzsicherung hat, kann beide beantragen.

Für die Bewilligung des Mindesteinkommens werden erstmals in Spanien die Daten der Sozialversicherung, des Finanzamtes und anderer staatlicher Stellen abgeglichen, um Betrug auszuschließen.

21,5 Prozent der 47 Millionen Spanier lebten bereits vor der Pandemie in Armut oder an der Armutsgrenze

Die von dem Mindesteinkommen Begünstigten müssen sich an Programmen zur sozialen und beruflichen Integration beteiligen, wenn sie diese angeboten bekommen. Escrivá will außerdem in den kommenden Monaten ein „Sozialsiegel“ ins Leben rufen. „Unternehmen, die Personen, die als von der Armut betroffen eingestuft sind, Arbeit geben, erhalten dieses Siegel“, erklärt Escrivá. Was für Vergünstigungen das mit sich bringt, steht noch nicht fest.

Während die Gewerkschaften das Mindesteinkommen begrüßen, kritisiert die Organisation Attac die Pläne als ungenügend. Nur ein bedingungsloses Grundeinkommen würde alle Menschen erreichen und mit der Armut tatsächlich Schluss machen.

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